Offener Brief an Bündnis 90/Die Grünen

Anlässlich der Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg hat Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg einen Brief an Bündnis 90/Die Grünen gesendet und in diesem auch im Bündnis mit der CDU einen konsequenten Kurs und die Einhaltung der Wahlversprechen gefordert.

Anlässlich der Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg hat Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg einen Brief an Bündnis 90/Die Grünen gesendet und in diesem auch im Bündnis mit der CDU einen konsequenten Kurs und die Einhaltung der Wahlversprechen gefordert.

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

Sehr geehrte Landesvorsitzende Dr. Detzer,

Sehr geehrter Herr Hildenbrand,

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg gratuliert Ihnen herzlich zur Wiederwahl zum Ministerpräsidenten. Die Grünen vertreten viele Ziele, die unser Verein befürwortet. Daher freuen auch wir uns über Ihren Wahlerfolg.

Die letzten fünf Jahre waren geprägt von Schlachthofskandalen und massiver Tierquälerei. Dies muss leider als ein Versagen der Politik gewertet werden und macht deutlich, dass eine drastische Veränderung herbeigeführt werden muss. Daher möchten wir Ihnen Ihre Wahlversprechen hinsichtlich Tierwohl in Baden-Württemberg vor Augen führen und Sie als klaren Wahlsieger ermutigen, diese Versprechen auch gegenüber der CDU durchzusetzen.

Leider ist uns in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche aufgefallen, dass die im Wahlprogramm noch recht deutlich geäußerte Senkung des Fleischkonsums, die nötige Reduktion des Konsums von Milchprodukten und ein Abbau der Tierhaltung keinerlei Erwähnung finden. Gerade in der Partnerschaft mit einer Partei wie der CDU wäre eine Einigung in diesem Bereich sehr essenziell gewesen. Da Sie selbst Biologielehrer waren, wissen Sie sicher um die Gefahr von Zoonosen durch die Massentierhaltung. In der aktuellen Coronalage sollte die Vermeidung zukünftiger Zoonosen absolute Priorität haben. Eine starke Reduktion der Tierhaltung ist für dieses Ziel unvermeidbar. Im Bereich der Energiewende scheint die CDU viel Kompromissbereitschaft gezeigt zu haben. Dass man allein mit dieser den Klimawandel nicht ausreichend stoppen kann, wissen wir dank wissenschaftlicher Studien bereits seit Jahren (1). Bitte halten Sie hier Ihre Wahlversprechen ein. Hilfreich wären sicher konkrete Zahlen, genauso wie man sie bei den Klimazielen auch festgelegt hat.

In unseren Wahlprüfsteinen sprach sich Ihre Partei für ein vegetarisches bzw. veganes Gericht in Hochschulmensen und den landeseigenen Kantinen aus. Dieses Versprechen ist auch in Koalition mit der CDU dringend einzuhalten, um eine Reduktion des Konsums von Tierprodukten für die Bevölkerung so einfach wie möglich zu machen. Die Ernährungsräte dabei zu unterstützen, die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) umzusetzen, ist ein weiterer essenzieller Baustein Ihrer Wahlversprechen. Immerhin konsumieren die Deutschen doppelt so viel Fleisch, wie es von der DGE empfohlen wird. Und dies nicht nur mit massiven Folgen für Tierwohl und Klima, sondern auch die Gesundheit der Menschen (2). Hier ist dringendes Handeln von der Politik unerlässlich. In unseren Wahlprüfsteinen sprach sich Ihre Partei klar für eine Ernährungswende aus, ebenso für eine Reduktion der Tierhaltung und die Förderung der pflanzlichen Produktion in Baden-Württemberg. Herr Minister Hauk hatte sich diesbezüglich leider sehr abschätzig geäußert, daher ist es wichtig, in diesem Bereich stark gegenüber der CDU aufzutreten.

Zum Thema Jagd hat Ihre Partei leider eine wenig tierfreundliche Einstellung. So müsste eine Kürzung der Liste der jagdbaren Arten (Nutzungs- und Entwicklungsmanagement) und das ausnahmslose Verbot tierschutzwidriger Jagdmethoden (z. B. Baujagd am Kunstbau) dringend verfolgt werden. In der Antwort an unseren Verein verwies Ihre Partei darauf, dass Prädatorenjagd z.B. zum Schutz des Auerhuhns unerlässlich ist. Populationsrückgänge betroffener Arten, wie beispielsweise des Feldhasen oder des Auerhuhns, sind überwiegend auf den Lebensraumverlust durch die intensive Landwirtschaft sowie das schwindende Nahrungsangebot zurückzuführen. Das größte Problem für Arten ist der Mensch. Die Natur in sich funktioniert ohne menschliches Eingreifen, so wie sie es schon lange vor dem Menschen tat. Wissen wir also, dass die Arten unter dem Lebensraumverlust leiden, sollten wir nicht Prädatoren bejagen, sondern Lebensraum zur Verfügung stellen. Auch hier schließt sich der Kreis bei der pflanzlichen Ernährungsweise, welche deutlich weniger Ressourcen verbraucht und freie Flächen ermöglichen würde. Diese könnte man in Rewilding-Projekten der Natur zurückgeben. Das wäre echter und nachhaltiger Artenschutz. Im Bereich Jagd bitten wir Sie um eine offenere und weitsichtigere Einstellung. Nachhaltig kann immer nur der Ansatz sein, der bei der Ursache des Problems ansetzt. Überdies sollten stets humanere Methoden als das Töten in Erwägung gezogen werden. In manchen Gebieten der USA wurde z. B. großflächig mit Empfängnisverhütung gearbeitet. Die Wildtierpopulationen gingen so bis zu 60 % zurück.

Zur Tierversuchsthematik begrüßen wir Ihre Forderung nach einer bundesweiten Negativdatenbank und Ihre geplante Förderung von Alternativmethoden. Den geplanten Maßnahmenplan, um zunächst eine Reduktion der Tierversuche von 50 % zu erreichen, halten wir für vielversprechend und hoffen, dieser wird auch in Koalition mit der CDU konsequent umgesetzt. Langfristig sollte ein kompletter Ausstieg aus dem Tierversuch folgen. In unseren Wahlprüfsteinen hat Ihre Partei uns versprochen, sich auf Bundesebene für mehr Tierschutz in der Tierschutzversuchstieranordnung einzusetzen, als auch Versuche an Primaten und schwerwiegende Versuche zu verbieten. Wichtig ist, dass für die alternative Forschung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Seit Beginn der Pandemie ist zu beobachten, dass sich das SARS-CoV-2 Virus, welches beim Menschen COVID-19 verursacht, immer weiter auf europäischen Nerzfarmen verbreitet, unabhängig davon, ob strenge Sicherheitsmaßnahmen auf den Farmen ergriffen werden oder nicht. Neben diesem Risiko ist Pelz ein Produkt, welches extremes Tierleid bedeutet. Ihre Partei versprach uns in unseren Wahlprüfsteinen, sich auf Bundesebene für ein generelles Handelsverbot von Pelz stark zu machen. Außerdem wurde das Versprechen abgegeben, sich im Bundesrat für ein Wildtierverbot in Zirkussen für alle Tiere einzusetzen. Diese Versprechen begrüßen wir und sind gespannt auf die Entwicklungen. Gerne unterstützen wir Sie in diesen Bereichen, indem wir die Öffentlichkeit informieren und bitten, hier ebenfalls Druck auf den Bundesrat auszuüben.

In Zoos leben Tiere leben in einem künstlichen Lebensraum, der meistens den tatsächlichen Bedürfnissen der Tiere nicht entspricht. Hinzu kommen die Tötung und dubiose Verkäufe von „überflüssigen“ Tieren. Viel besser können Tiere in Dokumentationen und in ihren tatsächlichen Lebensräumen beobachtet werden und dabei ein Verständnis dafür geweckt werden, dass diese Lebensräume erhalten werden müssen. Ihre Partei äußerte diesbezüglich gegenüber uns, dass Zoos nur noch für Tiere als akzeptabel anzusehen sind, wenn es sich um heimische Nutz- und Wildtiere handelt oder Tiere, denen man eine wirklich artgerechte Haltung zukommen lassen kann. Auch wurde eine deutlich nötige Verbesserung der Anforderungen für das Halten von den einzelnen Tierarten in Zoos erwähnt. Delfinarien möchte Ihre Partei erfreulicherweise abschaffen, ebenso wie das Säugetiergutachten überarbeiten und die Mindestanforderungen darin rechtsverbindlich machen. Es gibt mittlerweile neue Technologien, die in Zukunft Zoos und Aquarien komplett ersetzen könnten. So wird hier mit Virtual Reality ganz ohne echte Tiere eine Art Zooerlebnis geschaffen (3). Baden-Württemberg könnte hier im europäischen Raum ein Vorreiter werden.[nbsp]

Wir freuen uns über die Aussage in unseren Wahlprüfsteinen, dass Ihre Partei sich für eine flächendeckende Kastration von Straßenkatzen einsetzen wird, was auch die Tierheime entlasten wird. Außerdem wurde uns auf Bundes- und EU-Ebene ein Einsatz für die Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde und Katzen versprochen. Ebenso sprach sich Ihre Partei für ein zentrales Register für Online-Tierhändler*innen aus.

Ein ähnliches Engagement wünschen wir uns im Bereich der Stadttaubenkonzepte. Die Kommunen haben häufig große Probleme bei der Umsetzung dieser, da Ihnen z. B. keine ausreichenden Plätze für geführte Taubenschläge zur Verfügung stehen und Geschäfte sich weigern, solche Projekte an ihren Gebäuden zu dulden. Daher wären hier städteübergreifende Regelungen wünschenswert, auf welche sich die Kommunen im Konfliktfall berufen können.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Ihre grünen Stammwähler*innen auch in der Koalition mit der CDU von Ihnen konsequente Maßnahmen im Bereich Tierwohl und nachhaltiger Landwirtschaft erwarten. Wir haben diesbezüglich auch eine Pressemitteilung verfasst (4).

Auch wenn das Landwirtschaftsministerium in den Zuständigkeitsbereich der CDU fallen sollte, bleiben die Erwartungen Ihrer Wähler*innen bestehen und wir möchten Sie bitten, starke Zeichen zu setzen. Die vergangenen fünf Jahre waren hinsichtlich nachhaltiger Landwirtschaft und Tierwohl in Baden-Württemberg wenig erfreulich und dass liegt unseres Erachtens vor allem daran, dass die CDU den Status quo verwaltet hat. Landwirtschaft gehört unserer Auffassung nach zur Kernkompetenz der Grünen.

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Wir möchten nochmals zum Wahlerfolg gratulieren und setzen viel Hoffnung in die von Ihrer Partei abgegebenen Versprechen. Für mehr Tierwohl und effektiven Klimaschutz braucht es ein konsequentes Durchgreifen, wirtschaftliche Interessen, wie sie die CDU häufig in den Fokus stellt, dürfen nicht auf Kosten von Tierwohl und Klimaschutz gehen.

Wir wünschen Ihrer Partei weiterhin viel Mut und Erfolg bei der Verwirklichung der gesteckten Ziele und auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft für uns alle.

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Mit freundlichen Grüßen

Julia Thielert

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.

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Quellen

Antworten Ihrer Partei zu unseren Wahlprüfsteinen: https://www.tierrechte-bw.de/index.php/wahlen-ba-wue-2021.html

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1: https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/news/201603-plant-based-diets/

2: https://www.krankenkassenzentrale.de/magazin/deutsche-essen-zu-viel-fleisch-welche-folgen-das-fuer-die-gesundheit-hat-115745#

3: https://mixed.de/vr-zoo-in-china-peta-ist-begeistert/

4: https://www.tierrechte-bw.de/index.php/news-leser/gruene-und-cdu-bilden-die-neue-regierung-in-baden-wuerttemberg-menschen-fuer-tierrechte-baden-wuerttemberg-fordert-eine-konseque.html

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Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das TierschutzMitwirkungs- und Verbandsklagerecht in Baden-Württemberg.

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg