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Jagdlust

Archaischer Trieb oder Kulturprozess
Vielfach wird von Jägerseite ein archaischer Jagdtrieb geltend gemacht, der wie der Sexualtrieb im Menschen genetisch angelegt sei. Der Jäger, Rechtsanwalt und Autor Florian Asche bekennt sich mit folgenden Worten zu seiner Passion: „Wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht herzustellen. Zumindest ist das nicht das auslösende Motiv unserer Anstrengungen. Es ist nur eine Rechtfertigung für unsere Triebe und Wünsche, die viel tiefer gehen, als die Erfordernisse der Wildschadensvermeidung und des ökologischen Gleichgewichts […] Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet. Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.“ Diese Triebe auszuleben sei ebenso legitim wie wichtig für die seelische Gesundheit. Unbeantwortet bleibt indes die Frage, warum die Bevölkerungsmehrheit psychisch unauffällig bleibt, obwohl sie den angeblich universellen menschlichen Jagdtrieb weder in sich verspürt geschweige denn an Wildtieren auslebt. So sieht auch der Psychoanalytiker und passionierte Jäger Paul Parin die Ursache der Jagdleidenschaft nicht im einem genetisch verankerten Instinkt, sondern in der Sozialisation des Jägers in seiner jeweiligen Kultur: „In seiner Sozialisation hat er den verbotenen Genuss des Verbrechens, von Grausamkeit und Mord, und die Lust ungehemmter Sexualität übernommen.“

Jagd als Kompensation von Ängsten und Unsicherheit
Im Gegensatz dazu deutet der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss das Jagdbedürfnis als psychische Störung: „Jagd ist nur eine feige Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf. Die Jagd ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit.“ Der Biologe und Ökologe Karl-Heinz Loske, selbst ehemaliger Jäger, kommt in seinem Buch „Von der Jagd und den Jägern“ zu einem ähnlichen Ergebnis. Als Jugendlicher von der Jagd begeistert, warf er seine Flinte ins Korn, nachdem er die ersten Tiere erschossen hatte. Loske räumt zwar ein, dass jeder Jäger anders sei. Doch kristallisiere sich bei genauer Analyse ein gemeinsamer Nenner heraus: Jagd sei die Suche nach Macht, Lustgewinn, Prestige und Selbstbestätigung. In Jägern wirke ein uraltes Männlichkeitsideal, ein Streben nach Beherrschung und Manipulation der Umwelt, das zur Kompensation von inneren Ängsten, Unsicherheit, Frustration und Minderwertigkeitsgefühlen diene.

Tiertötung als Abwehr der Todesangst
Bei Jägern löst das Töten von Tieren durchaus auch zwiespältige Gefühle aus. Einerseits ist ihnen bewusst, dass das Erlegen des Wildes notwendig ist, um den angestrebten emotionalen Höhepunkt (Kick) bei der Jagdausübung zu erreichen, gleichzeitig leugnen viele vehement, Lust beim Töten zu empfinden. Der Philosoph, Publizist und Jäger Günter Reinhold Kühnle bezeichnet diese Ambivalenz als das „emotionale Jagdparadox“. Dessen Entstehung falle mit der Evolution des Selbstbewusstseins und damit des Todesbewusstseins zusammen. Die Gewissheit der eigenen Vergänglichkeit löse im Menschen häufig extreme Angst aus, der er mit Hilfe verschiedener Bewältigungsmechanismen zu entfliehen versuche. Kühnle schreibt: “ Der erlebte Kick beim Töten des Wildes ist demgemäß nicht Lust am Töten, sondern die Erfahrung einer extremalen Befriedigung vermittels (virtueller) Macht über die […] unbeherrschbar und unabwendbar bedrohlich erscheinende Natur. Das Tier bzw. das individualtierische Leben ist nur Vermittlungsgestalt. Das erlebte Glück, die Freude und Zufriedenheit, die Zerstreuung usf. beruhen auf der virtuellen, nie bewußt vom Individuum erfahrenen Überwindung der Todesangst.“ Auch Gerd Rohmann, Professor für Anglistik und langjähriger Jäger, identifiziert das Jagen als „motivierende Kraft, die uns im Tötungsakt ein Gefühl der Macht, der Überlegenheit, der Beherrschbarkeit der Natur vermittelt.“ Der Jäger entfliehe dem beängstigenden Bewusstsein der eigenen Endlichkeit, indem er sich mit der Vernichtung des „Naturdings Wild“ zum Herrscher über Leben und Tod aufschwinge und sich damit der tödlichen Übermacht der Natur widersetze, ‒ ein Befreiungsschlag, der mit einem „exorbitanten Lusteffekt“ im Moment des Tötens einhergehe.

Fazit
Den beschriebenen Erklärungs- und Rechtfertigungsversuchen gemeinsam ist die weithin fehlende Wahrnehmung des gejagten Tiers als individuelles leidensfähiges Individuum. Aus einer überwiegend anthropozentrischen Perspektive werden Wildtiere zu einer bloßen Metapher der Natur degradiert und als Zweckobjekte der Existenzbewältigung instrumentalisiert (etwa bei Kühnle und Asche). Einige Autoren, wie beispielsweise Rohmann, erkennen zwar die „biologisch-strukturellen“ und „seelischen“ Gemeinsamkeiten von Menschen und Tieren an, bleiben aber einem hierarchisch strukturierten Weltbild verhaftet, wonach die „niedrigeren“ Lebewesen den Interessen der „höheren“ zu dienen haben: „Da alles in der Natur auf den Menschen hingeordnet zu sein scheint, rangieren wir auf höchster Ebene der zoologischen Hierarchie. Daraus ergeben sich Rechte und Ansprüche von Prädatoren gegenüber anderen, niederen Rängen bis hin zur Pflanze“, so Rohmann.

Die Philosophin, Publizistin und Politikwissenschaftlerin Petra Mayr weist in ihrem Aufsatz „Just for Fun oder Angst vor dem Tod? Erklärungsversuche für das Jagdbedürfnis von Freizeitjägern“ darauf hin, dass gerade die körperliche und emotionale Ähnlichkeit des Tieres mit dem Menschen eine notwendige Bedingung für die Jagd ist: „Die immer wieder betonte Lust an der Jagd setzt allerdings voraus, dass das Tier eine Ebenbürtigkeit als „Sportpartner“ etwa auch im Hinblick auf das Fluchtverhalten aufweist. Dafür scheinen nur hochentwickelte, sensitive, leidens- und schmerzempfindliche Lebewesen, wie das bei den bejagten Tieren der Fall ist, konstitutionelle Voraussetzungen mitzubringen […] Wenn aber das Machtspiel und somit Machtvariationen als „lustvolle“ Komponenten bedeutsam sind, dann wird die körperliche Ähnlichkeit von Wildtieren mit uns bedeutsam, damit die Kontrolle über das Tier auch als solche empfunden wird.“ Es wäre unzutreffend, dieses Machtspiel als Mangel an Empathie zu interpretieren. Der Jäger nütze vielmehr seine Fähigkeit, sich (zumindest kognitiv) in das Verhalten und Empfinden der Tiere hineinzuversetzen und sie zielgerichtet (und nicht selten auf grausame Weise) zum Schaden der Tiere einzusetzen. Der Psychoanalytiker und Jagdautor Paul Parin findet dafür deutliche Worte: „Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo und von wem immer gejagt wird.“

Petra Mayr kommt zu dem Schluss, dass „mit dem ’sportlich motivierten‘ Verletzen und Töten von Wildtieren durch Freizeitjäger […] Verhaltensweisen wie Grausamkeit und Brutalität ‚kultiviert‘ und zugleich ideologisch überhöht [werden], die es im zwischenmenschlichen Bereich zu eliminieren gilt.“ Es sei erstaunlich, dass jagdliches Töten noch immer rechtlich legitimiert sei. Wen wundert es also, dass sich sich eine immer größer werdende Kluft auftut zwischen „jenen, die für ihr privates Tötungsinteresse von Tieren als Freizeitbeschäftigung gesellschaftliche Anerkennung einfordern, und jenen, die im Töten-Wollen das sehen, was es jenseits jeder inneren Motivation bleibt: eine Kultivierung von Grausamkeit.“

 

Quellen:
MAYR, P.: Just for Fun oder Angst vor dem Tod? Erklärungsversuche für das Jagdbedürfnis von Freizeitjägern. In: TIERethik, 5. Jg. 2013/2

ROHMANN, G.: Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen. Vortrag bei der Jahrestagung 2004 in Mespelbrunn/Spessart des FORUM LEBENDIGE JAGDKULTUR e.V.

ASCHE, F.: Jagen, Sex und Tiere essen.Die Lust am Archaischen, Melsungen, 2012

LOSKE, K.-H.: Von der Jagd und den Jägern. Bruder Tier und sein Recht zu leben. Münster (Westf.) 2006

KÜHNLE, R.: Die Jagd als Mechanismus der biotischen und kulturellen Evolution des Menschen. Diss., Universität Trier, 2003 http://ub-dok.uni-trier.de/diss/diss45/20030120/20030120.htm

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg