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Jagd auf Vögel

Die aufwendige Analyse brachte zu Tage, dass Europas Jäger jedes Jahr ganz offiziell über 100 Millio­nen Vögel töten. Von allen 27 unter­suchten Ländern lag Frankreich mit jährlich 25 Millionen getöteter Vögel an der Spitze, gefolgt von Großbri­tannien mit 22 Millionen und Italien mit 17 Millionen; in Deutschland waren es noch 2,3 Millionen. Im Untersuchungszeitraum waren Fasane mit jährlich 21,9 Millionen die am meisten geschossenen Vögel. An zweiter Stelle standen mit 15,5 Millionen Opfern die Ringeltauben, an dritter Stelle wurden 14,9 Millio­nen Singdrosseln erlegt.
Viele Arten mussten bereits durch die Lebensraumzerstörung in den Brut- und Überwinterungsgebieten große Bestandseinbußen hinnehmen. Die Jagd führt zu zusätzlichen Ver­lusten, die den weiteren Fortbestand gefährden. Bedroht sind insgesamt 22 jagdbare Vogelarten: Waldschnep­fen, Wachteln und Turteltauben, aber auch Bekassinen, Goldregenpfeifer und Große Brachvögel. Obwohl den EU-Behörden bekannt ist, dass bei­spielsweise die Feldlerchen in Groß­britannien, Deutschland und den Niederlanden seit 1970 um mehr als 50% abgenommen haben, werden sie weiter als jagdbar eingestuft und ganz legal mehr als 2,5 Millionen jährlich erschossen oder mit Netzen gefangen.
Die vom Komitee gegen den Vogelmord vorgelegten Zahlen ent­halten lediglich die „reguläre“ Vogel­jagd innerhalb der Europäischen Union. Nicht enthalten sind die Zah­len aus Weißrussland, Russland, Bul­garien, Rumänien, der Ukraine und den Ländern des ehemaligen Jugo­slawien. Außerdem sind die Ab­schusszahlen von eigentlich unter Artenschutz stehenden Vögeln, die über Sondergenehmigungen bejagt werden – wie etwa Kormorane in Deutschland – nicht erfasst. Ebenso fehlen Zahlen über Wilderei und die Anzahl der bei der Jagd verwunde­ten Tiere. Experten nehmen an, dass jeder vierte Vogel nur angeschossen wird und irgendwo seinen Verlet­zungen erliegt. Schätzungen zufolge dürfte sich die Zahl der jährlich in Europa von Menschenhand getöte­ten Wildvögel im Bereich von über 200 Millionen bewegen.

Ägypten
Die deutschen Fernsehzuschauer ha­ben im Juni 2013 in einer Sendung von Report München vom erschre­ckenden Ausmaß des Vogelfangs in Ägypten erfahren. Wenn im Herbst unsere Vögel zum Überwintern nach Süden fliegen, erstreckt sich eine lückenlose Reihe von Fangnetzen über mehr als 700 Kilometer ent­lang der ägyptischen Mittelmeer­küste. Nach Schätzung des Vogel­schutzexperten Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland wer­den dort jeden Herbst etwa 140 Mil­lionen Zugvögel gefangen. Jeder 17. europäische Zugvogel stirbt in den ägyptischen Netzen. Außerdem wer­den an vielen Seen Wasservögel ge­fangen und Großvögel nach Belie­ben mit Gewehren abgeschossen.
Dieser Zustand macht die in Deutschland und anderen Ländern unternommenen Naturschutzanstren­gungen zunichte und verletzt die auch von Ägypten zum Schutz wan­dernder Tierarten unterzeichneten internationalen Abkommen.

Zypern
Auf der Mittelmeerinsel ist der Vo­gelfang zwar verboten, wird jedoch illegal insbesondere im griechisch­sprachigen Süden durchgeführt. Die Behörden unternehmen praktisch nichts, das Verbot durchzusetzen. In Mandel- und Olivenhainen stellen unzählige Vogelfänger Netze und Leimruten zum Fang der rastenden Zugvögel auf. Besonders zahlreich gehen Drosseln und Grasmücken in die Fallen, aber auch andere ge­schützte Arten. Die erbeuteten Tiere landen im Kochtopf und nicht selten in Restaurants, wo sie ungeniert als Delikatessen teuer angeboten wer­den.
Seit dem Jahr 2008 führt das Ko­mitee gegen den Vogelmord in je­dem Frühling große, international be­setzte Vogelschutzcamps auf Zypern durch. In Kooperation mit den Be­hörden und Partnerverbänden vor Ort werden so jährlich mehr als 2.500 Fanggeräte abgebaut, Dutzende elek­tronische Lockanlagen unschädlich gemacht und Hunderte Vögel be­freit; mehrere Wilderer wurden in flagranti erwischt. Restaurants, die Singvögel anbieten, werden vom Ko­mitee regelmäßig kontrolliert und angezeigt.

Malta
Mit seiner zentralen Lage im Mit­telmeer ist der Archipel vor allem bei schlechtem Wetter für zahlreiche Zugvögel ein wichtiger Rastplatz zwischen Europa und Afrika. Der Einflug großer Vogelschwärme auf Malta und Gozo ist ein einzigarti­ges Naturschauspiel, das jedes Jahr zahlreiche Vogelbeobachter begeis­tert. Leider sind der Abschuss ge­schützter Arten und der illegale Vo­gelfang nach wie vor weit verbrei­tet. Insbesondere an den Schlafplät­zen der Vögel richten Wilderer trotz strenger Verbote regelrechte Massa­ker an. Obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung die illegale Jagd ab­lehnt, gibt es bis heute keine wirk­samen Kontrollen. Die Umweltpoli­zei steht mit maximal 10 Beamten pro Schicht einer Übermacht von mehr als 15.000 Jägern und Vogel­fängern gegenüber. Wie in weiteren Ländern werden jedes Jahr Zugvogel­schutzcamps mit internationaler Be­teiligung durchgeführt.

Spanien
Auf dem Weg zu ihrem westafrika­nischen Winterquartier überqueren Zugvögel die Iberische Halbinsel. Dort werden sie von ca. 980.000 Jä­gern erwartet. Da anderes jagdbares Wild wie in weiteren Ländern Süd­europas im Laufe der Jahrhunderte weitgehend ausgerottet worden ist, ist die Jagd auf Zugvögel weit ver­breitet. Insgesamt 36 Vogelarten sind zum Abschuss freigegeben, darunter Gänse- und Entenarten, Wachteln, Turteltauben, Drosseln und der Star. Die jährliche Vogel-Jagdstrecke in Spanien beläuft sich auf rund 11 Mil­lionen Vögel!
Auch der Fang von Vögeln ist in einigen Gegenden noch erlaubt. Je nach Region wird mit Schlagnetzen und Schlagfallen den Vögeln nach­gestellt. In Katalonien und Valencia werden trotz eindeutiger Vorgaben der Europäischen Union jährlich wei­terhin zahllose Drosseln mit Leim­ruten gefangen.

Italien
Kaum haben die Zugvögel im Herbst die italienische Grenze Richtung Afrika überflogen, geraten sie in den Bleihagel hunderttausender Jäger. Von Mitte September bis Anfang Februar sind 36 Vogelarten in Ita­lien zum Abschuss freigegeben – die meisten davon sind Feldlerchen, Singdrosseln, Turteltauben, Wasser- und Wattvögel. Die Behörden erlau­ben den 710.000 Jägern an 60 Jagd­tagen ein Abschusskontingent von 30 Vögeln pro Tag, insgesamt fallen dieser Leidenschaft in jedem Jahr mehr als 17 Millionen Vögel zum Opfer. Insbesondere rings um den Gardasee, auf Sardinien und entlang der süditalienischen Küste wird zu­dem immer noch mit Fallen und Netzen gewildert.

Doch seit einigen Jahren lehnen immer mehr, meist junge Italiener die Jagd ab. Viele haben sich zu lo­kalen Aktionsgruppen zusammenge­schlossen, um sich für einen besse­ren Zugvogelschutz zu engagieren. Naturschützer aus vielen europäi­schen Ländern überwachen im Rah­men von Zugvogelschutzcamps die Zugwege der Vögel, bauen gemein­sam mit Behördenvertretern illegale Fallen ab.

Frankreich
Ungefähr 1,3 Millionen Jäger und Vogelfänger wehren sich erbittert ge­gen jegliche Einschränkung des wäh­rend der französischen Revolution erstrittenen Jagdrechts für jedermann. Vogelfang, Frühlingsjagd auf heim­kehrende Zugvögel, Jagd selbst wäh­rend der Brutzeit und eine im Herbst völlig ausufernde Jagdleidenschaft – in vielen französischen Departe­ments ist dies bis heute eine Selbst­verständlichkeit. Naturschützer aus ganz Europa wollen mit Unterstüt­zung des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission die Re­gierung zwingen, die bereits seit 1979 gültige EU-Vogelschutzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen, stoßen jedoch bislang auf Granit. Denn selbst französische Spitzenpolitiker schät­zen gegrillte Singvögel als Delika­tesse.

Nahezu alle traditionellen euro­päischen Vogelfangmethoden der letzten Jahrhunderte wurden in Frank­reich als einzigem Land in der EU per Ausnahmegenehmigung auch im 21. Jahrhundert erlaubt: Je nach Re­gion sind Rosshaarschlingen, Netz­fanganlagen, Steinquetschfallen, Fangnetze und Leimruten im Ein­satz. Ein Schlupfloch in der Richt­linie macht es möglich. Mitglied­staaten können Ausnahmen erlauben, wenn der Vogelfang aus traditionel­len Zwecken nötig scheint, die ange­wendeten Methoden selektiv einge­setzt und nur geringe Mengen von Vögeln betroffen sind. Diese Vor­aussetzungen treffen allerdings auf keine der Fangmethoden zu. Des­halb nennt die Regierung absurd niedrige Fangquoten, Gefälligkeits­gutachten jagdnaher Institute belegen die Selektivität der Fangmethoden, und was „traditionell“ und „nötig“ ist, entbehrt jeder Faktenlage. Brüs­sel schaut dem bislang fast tatenlos zu!

Deutschland
Die bundesdeutsche Jagdgesetzge­bung stammt noch aus den 1930er Jahren und wurde nie umfassend novelliert. Moderne ökologische Er­kenntnisse haben bis heute keinen Einzug gefunden. Auch hierzulande gehen Jäger auf Zugvogeljagd und setzen Fallen ein. Die Jagd ist selbst in Schutzgebieten fast überall erlaubt, Vögel werden während der Brutzeit legal geschossen.
Für die Jagd auf eigentlich ge­schützte Vogelarten wie Graureiher, Kormorane und Rabenvögel gibt es großzügige Ausnahmegenehmigun­gen. Zur Begründung werden angeb­liche wirtschaftliche Schäden in der Land- bzw. Fischereiwirtschaft und der angeblich notwendige Schutz an­derer heimischer Arten vor die­sen Vogelarten angeführt. Die von Jägern und Fischern hervorgebrach­ten Argumente sind jedoch wissen­schaftlich nicht belegt. Für den Arten­rückgang sind andere Gründe ver­antwortlich, vor allem die Zerstö­rung ihrer Umwelt, beispielsweise bei Fischen durch Baumaßnahmen an Gewässern und dem damit ein­hergehenden Verlust von Lebens­raum und Laichplätzen. Fang, Vergiftung und Abschuss geschützter Arten – vor allem von Greifvögeln – ist in manchen Teilen Deutschlands noch weit verbreitet, eine funktionierende Jagdaufsicht existiert nicht.

Der Fang von Wildvögeln für den Kochtopf oder die Käfighaltung ist seit Jahrzehnten verboten. Mit der Verabschiedung des ersten Bundes­naturschutzgesetzes im Jahr 1979 war auch der bis dahin in einigen Bundesländern noch erlaubte Fang von Finken zur Käfighaltung in Woh­nungen verboten. Trotzdem ist die Tradition des Vogelfangs insbeson­dere in den Bergbaugebieten im Harz und Nordrhein-Westfalen lebendig. Hier gibt es noch viele sogenannte „Waldvogelhalter“, die meist legal Dompfaffe, Stieglitze und andere einheimische und unter Naturschutz stehende Finken züchten. Zum Teil gehen sie jedoch auch illegal mit Netzen auf die Vogeljagd; die erbeu­teten Vögel gelangen zur „Blutauf­frischung“ in die Zuchten oder wer­den unter der Hand verkauft.

Um genügend Tiere vor die Flin­te zu bekommen, werden jagdbare Arten gezüchtet und später ausge­setzt. Sehr beliebt sind Fasane, die in Fasanerien zu Tausenden auf engstem Raum gezüchtet und kurz vor der Jagd freigelassen werden, damit sie als bunte Zielscheiben den selbsternannten „Naturschützern“ dienen. Auf Internetseiten werden sie je nach Jahreszeit zum Stückpreis von 10 bis 14 Euro angeboten, bei Abnahme größerer Stückzahlen gibt es bis zu 50% Rabatt. In der Nähe von Gewässern werden in großen Mengen Zuchtenten freigelassen, welche durch illegal ausgebrachtes Futter die betroffenen Gewässer nachhaltig schädigen.
Damit nicht allzu zahme Tiere während der Jagdzeit zum Abschuss kommen, wurde in den jeweiligen Verordnungen zur Durchführung der Landesjagdgesetze festgelegt, bis zu welcher Frist vor Beginn der Jagd­saison die Tiere „ausgewildert“ wer­den müssen. Um die Tiere bis dahin an Ort und Stelle zu halten, ist es erlaubt, sie zu füttern. Die hinter dem vergleichsweise frühen Aussetzter­min steckende Idee wird dadurch konterkariert. Die durch ihre Aufzucht an Menschenhände gewöhnten Tiere laufen nichtsahnend auf ihre Mör­der zu.

Besonders grausam ist die häu­fige Jagd mit Schrotkugeln als Muni­tion. Unzählige Tiere, besonders Vö­gel, werden dabei nur angeschos­sen, sterben aber nicht gleich, weil keine lebenswichtigen Organe ge­troffen wurden. Sie verenden erst später an ihren Verletzungen oder an Bleivergiftung. Jede vierte Wild­ente und jede dritte Wildgans lebt mit einer Schrotschussverletzung. Dänische Biologen gehen sogar von Zahlen über 50% aus. Deutschlands Jäger ballern jährlich 1.500 Tonnen hochgiftiges Bleischrot in die Böden und Gewässer, das dann von Pflan­zen, Tieren und Menschen aufge­nommen wird. Der Leiter der Öko­logischen Schutzstation Steinhuder Meer, Thomas Brand, sagte in einem Interview, dass die häufigste Todes­ursache von Seeadlern heute die Bleivergiftung ist.

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg