Warum „Küken-Projekte“ im Klassenzimmer kein guter Unterricht sind

Stellen Sie sich vor, Sie sind einen Tag alt, erkennen normalerweise sofort den Klang der Rufe Ihrer Mutter – aber sie ist nicht da.

Genau das erleben Küken, die in Schul-Brutmaschinen schlüpfen.

Ein beliebtes Unterrichtsprojekt zeigt Kindern das „Wunder des Lebens“: Eier kommen in einen Inkubator, 21 Tage später piepen flauschige Küken im Klassenraum. Doch was idyllisch klingt, hat einen hohen Preis – für die Tiere und für die Bildungsqualität.

Was Kükenbrüten den Tieren wirklich antut
Problem Was passiert Warum das problematisch ist

Keine Mutter, viel Stress

Küken ohne Glucke zeigen deutlich mehr Angst- und Stressreaktionen und entwickeln häufiger Verhaltensstörungen PMC.

Tierisches Wohlbefinden wird dem Entertainment der Kinder geopfert.

  • Wärme und Schutz: Die Glucke bietet den Küken Wärme unter ihren Flügeln und schützt sie vor Gefahren. Ohne diese natürliche Wärmequelle müssen die Küken auf künstliche Wärmelampen oder Wärmeplatten zurückgreifen.
  • Lernen von Verhaltensweisen: Die Glucke zeigt den Küken, welche Nahrung sie fressen können und wie sie sich in Gefahrensituationen verhalten sollen. Diese natürliche Anleitung fehlt bei einer künstlichen Aufzucht vollständig.
  • Soziale Prägung: Küken prägen sich Stimme und Aussehen ihrer Mutter ein, was für ihre soziale Entwicklung wichtig ist. Ohne diese Prägung fehlt ihnen eine wichtige Grundlage für das spätere Leben in der Herde.
  • Selbstständigkeit: Die Glucke unterstützt ihre Küken dabei, selbstständig zu werden, indem sie ihnen Überlebensstrategien beibringt. In einer künstlichen Umgebung wird diese natürliche Entwicklung stark eingeschränkt.

Die Trennung von Mutter und Küken zugunsten einer künstlichen Aufzucht widerspricht grundlegenden Prinzipien des Tierschutzes und sollte kritisch hinterfragt werden. 

Problem Was passiert Warum das problematisch ist

Hochleistungs-Hennen & Bruderhähne

Weibliche Küken stammen oft aus Zuchtlinien, die > 300 Eier/Jahr legen (Qualzuchten); männliche Tiere enden meist nach < 16 Wochen im Schlachthof

Kinder sehen nur das süße Küken, nicht die Industrie-Realität. Es entsteht ein idealisiertes Bild der Eierindustrie.
  • Unnatürlich hohe Legeleistung: Legehennen legen heute über 300 Eier pro Jahr – das Zehnfache ihrer natürlichen Leistung. Dies führt zu einem enormen Kalziumbedarf, der oft nicht allein über die Nahrung gedeckt werden kann. Kalzium wird aus den Knochen gelöst, was zu schweren gesundheitlichen Problemen wie Mehrfachbrüchen des Brustbeins führt.
  • Frühzeitiger Beginn der Eiablage: Die Hennen beginnen bereits in einem sehr jungen Alter mit der Eiablage, bevor ihr Skelett vollständig ausgereift ist. Dies macht ihre Knochen besonders anfällig für Verletzungen.
  • Chronische Entzündungen und Organprobleme: Die ständige Belastung durch das Eierlegen führt häufig zu schmerzhaften Entzündungen des Legeapparats sowie zu chronischer Schwäche und Abmagerung.
  • Verhaltensstörungen: Die intensive Zucht verursacht Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Kannibalismus – ein Ausdruck von chronischem Stress und Langeweile.
  • Verkürzte Lebensdauer: Legehennen sind nach etwa einem Jahr „ausgebrannt“ und werden geschlachtet, obwohl ihre natürliche Lebenserwartung bei 8–10 Jahren liegt.
  • Eine Schlachtung bedeutet das Töten eines Lebewesens durch das Durchtrennen der Halsschlagader und anschließendes Ausbluten. Auch das ist Teil der Eierindustrie und sollte realistisch kommuniziert werden.
Problem Was passiert Warum das problematisch ist

Wegwerf-Mentalität

Viele Projektküken werden nach Ende des Unterrichts zurückgegeben z.B. an Kleintierzuchtvereine oder Bauernhöfe. Je nach Geschlecht werden sie früher oder später geschlachtet.

Die Lektion lautet: Lebewesen sind Verbrauchs­material. Man kann sie ihrer Mutter entziehen und wenn man kein weiteres Interesse hat, in eine ungewisse Zukunft entlassen.

Die Küken werden in einer künstlichen Umgebung geboren und anschließend zur Unterhaltung und Bildung von Menschen benutzt. Diese Praxis kann erheblichen Stress für die Tiere verursachen, da sie ständiger Beobachtung und möglicherweise auch Interaktionen ausgesetzt sind. Aus ethischer Sicht stellt sich die Frage, ob es vertretbar ist, Tiere auf diese Weise zu nutzen. Solche Projekte zeigen Kindern, dass Tiere Gegenstände sind, die man bestellen, benutzen und wieder loswerden kann, wenn man sie nicht weiter benötigt. 

Es geht auch ohne Tierleid – starke Alternativen
  • Digitale Embryonal-Simulationen oder interaktive Apps wie Chick It Out zeigen den Entwicklungs­prozess in 360 Grad 
  • Virtuelle Brut-Livecams aus Tier­schutz-Stationen – realer Einblick ohne Eingriff
  • Projekte zu pflanzlichen Ei-Alternativen: Rührtofu & Co. als Experiment in Hauswirtschaft
  • Besuche von Tier­schutz­lehrkräften (z. B. Deutscher Tierschutzbund, Animals United) – Empathie plus Fachwissen

TeachKind stellt Lehrkräften kostenfrei ein „Humane Alternatives Kit“ zur Verfügung.

Unser aktuelles Engagement im Hohenlohekreis

Im März 2025 hat das Kreismedienzentrum Hohenlohekreis eine Broschüre „Kükenbrüten im Unterricht“ veröffentlicht. Wir haben den Herausgebern einen dialog­suchenden Brief geschickt. Zudem setzen wir uns für ein Ende des öffentlichen Kükenbrütens zu Ostern ein.

Jetzt sind Sie dran!

Kennen Sie ähnliche Broschüren oder Projekte in Baden-Württemberg?

Außerhalb von BW?
Nutzen Sie unseren Brief gerne als Vorlage für Ihr Bundesland – bzw. lassen Sie sich von kostenlosen Anbietern wie ChatGPT einen eigenen Entwurf auf Basis unseres Schreibens erstellen. Gemeinsam zeigen wir, dass moderner Unterricht weder Tierleid noch Irreführung braucht.

Unser Schreiben als Inspiration: 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir von Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e. V. schätzen Ihr Engagement, Schülerinnen und Schülern lebendige Einblicke in biologische Prozesse zu ermöglichen. Gerade weil wir dieses Ziel teilen, möchten wir mit Ihnen ins Gespräch kommen, um das Projekt „Kükenbrüten im Unterricht“ tiergerechter und pädagogisch runder zu gestalten.


Warum wir den Dialog suchen
Aufzucht ohne Muttertier – Wohlbefinden der Küken
Küken entwickeln sich am besten in Begleitung einer Glucke. Ohne Muttertier fehlt ihnen Orientierung und ein natürlicher Stresspuffer. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Küken ohne Glucke deutlich stärker zu Angst- und Stressreaktionen neigen und häufiger Verhaltensstörungen entwickeln. Diese Folgen werden in der Broschüre nicht thematisiert, obwohl das Projekt Kindern eine „naturnahe Erfahrung“ verspricht. In der Natur zieht jedoch grundsätzlich die Mutter die Küken auf.
Verzerrtes Bild der Eierproduktion
Moderne Legehennen sind Hochleistungshybriden, die jährlich über 300 Eier legen; daraus resultieren häufig schmerzhafte Brustbeinfrakturen. Männliche Geschwister werden meist in einer kurzen Mastdauer von höchstens 16 Wochen geschlachtet. Diese Aspekte bleiben in Ihrer Broschüre unerwähnt und vermitteln Schülerinnen und Schülern ein idealisiertes Bild.
Ungewisse Zukunft der Projektküken
Die Broschüre verweist auf die Unterstützung örtlicher Kleintierzuchtvereine. Erfahrungsgemäß werden dort überzählige Hähne häufig getötet oder an Lohnschlachtereien abgegeben. Wird den Kindern ihr tatsächliches Schicksal transparent erklärt? Auch ein Bauernhof ist kein Lebenshof.
Unser Vorschlag
  • Tierleidfreie Alternativen (z. B. digitale Embryonal-Simulationen, Exkursionen zu Lebenshöfen, Kennenlernen pflanzlicher Ei-Alternativen)

  • Unsere Website zum Thema Eier informiert ausführlich über die Eierindustrie: https://tierrechte-bw.de/tiere-themen/landwirtschaft/

  • Es gibt außerdem hervorragende Angebote wie Besuche von Tierschutzlehrkräften, etwa vom Deutschen Tierschutzbund (https://www.jugendtierschutz.de/kontakt) oder von Animals United (https://animalsunited.de/kontakt-zu-animals-united-aufnehmen/).

  • Auch wir haben eine Tierwissenschaftlerin und eine vegane Ernährungsberaterin im Team, die Sie gerne bei der Entwicklung von Materialien oder alternativen Ideen unterstützen. Zudem absolviert eine Mitarbeiterin derzeit die Ausbildung zur Tierschutzlehrerin bei Animals United.

     


Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich in den kommenden Wochen bei uns melden, damit wir gemeinsam eine mögliche Überarbeitung der Broschüre anstoßen können. Für Rückfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung und danke Ihnen schon jetzt herzlich für Ihre Rückmeldung.

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg