Koalitionsvertrag veröffentlicht – Offener Brief an Bündnis 90/Die Grünen

Die Grundlage der Regierungsarbeit in Baden-Württemberg zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der CDU wurde am 11. Mai in Form des neuen Koalitionsvertrags „Jetzt für morgen“ unterzeichnet. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg hatte vor den Wahlen Wahlprüfsteine erstellt und ist enttäuscht, wie wenig Punkte aus diesen Versprechen im Vertrag zu finden sind. Aus diesem Anlass haben wir uns mit folgendem offenen Brief an Die Grünen gewandt.

Die Grundlage der Regierungsarbeit in Baden-Württemberg zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der CDU wurde am 11. Mai in Form des neuen Koalitionsvertrags „Jetzt für morgen“ unterzeichnet. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg hatte vor den Wahlen Wahlprüfsteine erstellt und ist enttäuscht, wie wenig Punkte aus diesen Versprechen im Vertrag zu finden sind. Aus diesem Anlass haben wir uns mit folgendem offenen Brief an Die Grünen gewandt.

Stuttgart, den 18.05.2021

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

Sehr geehrte Landesvorsitzende/r Frau Dr. Detzer, Herr Hildenbrand,

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg gratuliert Ihnen nochmals zur Wiederwahl und hat mit großem Interesse Ihre Koalitionsverhandlungen verfolgt. Wir setzten große Hoffnungen in diese, da Sie sich in unseren Wahlprüfsteinen sehr positiv zu einem Abbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der Unterstützung der pflanzlichen Ernährung äußerten. Im Koalitionsvertrag findet man unter vegetarisch und vegan nur einen Treffer. Es soll täglich eine vegetarische oder vegane Mahlzeit in Kantinen angeboten werden. So positiv das auch ist, hatten wir uns doch etwas mehr Ziele für einen Vertrag gewünscht, der bis 2026 die Basis der politischen Arbeit bildet.

Im Wahlprogramm war noch von einer Reduktion der Tierhaltung die Rede. Auch dass der Konsum von Milchprodukten sinken muss, da diese besonders schädlich für das Klima sind, fand sich auf der Website der Grünen. In unseren Wahlprüfsteinen wurde sich zumindest offen zu einer bio-veganen Landwirtschaft geäußert: „Die Umstellung der Landwirtschaft auf eine bio-vegane Wirtschaftsweise kann aus unserer Sicht eine Ernährungswende nicht ersetzen, sondern muss sie begleiten. Der entscheidende Hebel ist es, die Nachfrage umzustellen. Wir brauchen eine Ernährungswende!“ (1). Eine Unterstützung bio-veganer Landwirtschaft findet keinerlei Erwähnung im Koalitionsvertrag. So wird immer nur von einem Ökolandbau gesprochen, nirgends wird definiert, dass eine Ernährungswende bei der enormen Anzahl an landwirtschaftlich genutzten Tieren unmöglich ist. Im Koalitionsvertrag wird erwähnt, dass die Speisepläne in Kantinen an die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) angepasst werden sollen. Das würde, auch wenn nicht weiter definiert, eine klare Reduktion von Tierprodukten in Kantinen bedeuten. Immerhin konsumieren die Deutschen etwa doppelt so viel Fleisch, wie es von der DGE empfohlen wird (2). Auch wenn diese Veränderung zu begrüßen ist, erscheint sie doch zu der in den Wahlprüfsteinen abgegebenen Aussage zu milde. Hier wurde sich wie folgt geäußert: „Wenn wir Fleisch konsumieren, dann in geringen Mengen und von artgerecht gehaltenen Tieren“ (1). Allein über ein vegetarisches oder veganes Gericht in Kantinen werden sich diese geringen Mengen kaum erreichen lassen. Es wird im Koalitionsvertrag zwar auch über Bildungsprogramme im Ernährungsbereich gesprochen, doch hier bleibt alles eher schwammig formuliert. Auch das Wort „pflanzlich“ taucht nicht einmal im Vertrag auf. Für eine Partei, die allgemein für Naturschutz steht, ist dies ein bedauerliches Fazit. Gerade in der Koalition mit der CDU wäre es wichtig gewesen, sich klar auszudrücken. In den Wahlprüfsteinen wurde sich für weniger Import von Fleisch ausgesprochen, ebenso wie auch weniger Exporte von Tieren. Bei den Exporten von landwirtschaftlich genutzten Tieren aus Deutschland handelt es sich zu großen Teilen um Tiere, die in der Milchindustrie permanent entstehen, damit eine Kuh weiterhin Milch (eigentlich für ihr eigenes Baby) gibt. Diese Kälber würden bei gleicher Milchnachfrage auch weiterhin massenhaft entstehen – wo sollen diese also hin? Fleisch setzen sie nicht an, da sie wie eigentlich alle landwirtschaftlich genutzten Tiere auf Hochleistung in einer Disziplin gezüchtet sind. Es scheint, als würde der Koalitionsvertrag ganz bewusst jegliche Wörter wie „Reduktion“ und „pflanzlich“ in Bezug auf die Ernährung vermeiden. Dies muss wohl vor allem auf die Koalition mit der CDU zurückzuführen sein. Dabei sind die genannten Ziele ohne diese Wörter gar nicht machbar. Wenn wir mehr ökologische Lebensmittel, eine artgerechte Tierhaltung und mehr Regionalität wollen, kommen wir an einer deutlich Reduktion des Konsums von Tierprodukten gar nicht vorbei. Vor dem Koalitionsvertrag schienen sich auch die Grünen darüber im Klaren. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg ist über den nicht zu Ende gedachten Koalitionsvertrag enttäuscht. Von einer Klimapartei hätten wir erwartet, dass sie die Tierhaltung als den größten Einflussfaktor auf den Klimawandel deutlicher in den Fokus stellt (3). Laut einer aktuellen UNO-Studie stellt Fleisch den größten Umweltzerstörer dar, dazu gehört auch das Fleisch aus ökologischer Tierhaltung (4). Dass eine pflanzliche Ernährung der „wahrscheinlich größte Hebel“ sei, „um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern“, äußerte Umweltwissenschaftler Joseph Poore von der Universität Oxford, nachdem er mehr als 500 Studien zu den Ökobilanzen der Lebensmittelproduktion ausgewertet hatte. Durch die pflanzliche Ernährungsweise gelangen nicht nur weniger Treibhausgase in die Atmosphäre, sondern auch andere Umweltauswirkungen wie der Land- und Wasserverbrauch, die Überdüngung und die globale Versauerung werden reduziert (5).

Zum Thema Tierversuche finden sich einige der positiven Punkte aus unseren Wahlprüfsteinen auch im Koalitionsvertrag wieder. Bedauerlicherweise sind aber gerade die Punkte, die besonders gut definiert waren, im Koalitionsvertrag nicht mehr aufgetaucht. „In Baden-Württemberg wollen wir den Ausstieg aus dem Tierversuch einleiten… Die Landesförderung in diesem Bereich wollen wir ausbauen. Mit den beteiligten Unternehmen und Hochschulen wollen wir einen Maßnahmenplan erstellen mit dem Ziel, Tierversuche zunächst um 50 Prozent zu reduzieren.“ Dies waren sehr konkret formulierte Ziele, die man so im Koalitionsvertrag nicht mehr findet. Es ist wichtig, Ziele klar zu definieren. Umso bedauernswerter ist es, dass dies bereits geschehen war und dann nicht durchgesetzt wurde. Sie wollten Versuche an Primaten grundsätzlich verbieten, so wie sie zum Beispiel in Tübingen aktuell stattfinden. Genauso sollten schwerwiegende Versuche abgeschafft werden. Dass all diese Versprechen im Koalitionsvertrag keinerlei Erwähnung mehr finden, ist angesichts ihrer Tragweite eine große Enttäuschung für sicher viele ihrer Wähler*innen.

In den Wahlprüfsteinen versprachen Sie, sich für ein generelles Handelsverbot von Pelz einzusetzen. Zum Thema Pelz findet man im Koalitionsvertrag nichts, selbstverständlich erwarten Ihre Wähler*innen dennoch, dass Sie dieses Versprechen einlösen. Genauso verhält es sich mit Ihrem abgegebenen Versprechen, sich für ein generelles Verbot für alle Wildtiere in Zirkussen einzusetzen und die versprochene Abschaffung von Delfinarien.

Die Katzenschutzverordnung wird im Koalitionsvertrag nur kurz erwähnt. In unseren Wahlprüfsteinen gaben Sie an, dass sie eine flächendeckende Kastration von streunenden Katzen umsetzen werden, da das aktuelle System über die Kommunen nicht funktioniert. Auch diesen Punkt hätten wir uns so klar definiert im Koalitionsvertrag gewünscht.

Selbstverständlich finden sich auch positive Punkte im Koalitionsvertrag. Dennoch sind leider viele der klar definierten Versprechen entfallen und wurden durch teils sehr schwammige Aussagen ersetzt oder einfach gar nicht mehr erwähnt. In einer Koalition, besonders mit der CDU, ist es wichtig, Ziele in den angesprochenen Bereichen klar zu definieren. Die CDU vertritt hier meist sehr vehement die Erhaltung des Status quo und steht wenig für innovatives Denken. Grundlegende Veränderungen hätten daher unbedingt in einem Vertrag klar definiert werden müssen. Wir bitten Sie dennoch, sich für Ihre abgegeben Versprechen einzusetzen. Ihre Wähler*innen erwarten das auch in der Koalition mit der CDU. Die letzten von Schlachthofskandalen, Pandemie und Klimawandel geprägten Jahre haben gezeigt, dass wir einen grundlegenden Wandel in vielen Bereichen und besonders in dem der landwirtschaftlich genutzten Tiere brauchen. Bitte gehen Sie hier mutig und zielstrebig voran und überlassen Sie diese wichtigen Bereiche nicht allein der CDU.

Mit hoffnungsvollen Grüßen

Julia Thielert

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.

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Quellen

(1)[nbsp]https://www.tierrechte-bw.de/index.php/wahlen-ba-wue-2021.html

(2)[nbsp]https://www.krankenkassenzentrale.de/magazin/deutsche-essen-zu-viel-fleisch-welche-folgen-das-fuer-die-gesundheit-hat-115745#

(3)[nbsp]https://www.andrewknight.info/articles/climate-change/

(4)[nbsp]https://www.theguardian.com/environment/2018/may/31/avoiding-meat-and-dairy-is-single-biggest-way-to-reduce-your-impact-on-earth

(5)[nbsp]https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/uno-bericht-fleischkonsum-ist-groesster-naturzerstoerer-a-0b441812-4ed4-44ca-91a9-a83dedca4dbc

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Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das TierschutzMitwirkungs- und Verbandsklagerecht in Baden-Württemberg.

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg