Treffpunkt Tiere in Stuttgart: Das Leben der Kühe … und die Milchlüge

Unser dritter „Treffpunkt-Tiere“ am 24. Juni 2015 im Umweltzentrum Stuttgart stellte die „Milchkühe“ in den Mittelpunkt. In berührenden, manchmal auch verstörenden Bildern und Geschichten porträtierte unser Mitglied Dr. Wolfram Schlenker diese freundlichen, intelligenten und mutigen Wesen als hingebungsvolle Mütter und Familientiere. Er berichtete von den schrecklichen Folgen, die ihre Verwandlung in „Milchmaschinen“ hat, und schilderte die oft fatalen Auswirkungen des enormen Konsums von Milchprodukten auf die menschliche Gesundheit.

Kuh ML © Marie-Luise Strewe

Milch – Nahrungsmittel von trauernden Kühen
Muttermilch ist die erste Nahrung der Säugetiere, ein kostbares Lebenselixier, das Mutter und Kind zu einer innigen Einheit verschmilzt. Die menschliche Kultur pervertiert die Milch der Kuh dagegen zur Billigware für den eigenen Konsum ‒ und damit zur Quelle grausamsten psychischen und physischen Elends für Kühe und Kälber. Da die Kuhmilch für den Handel und nicht für die Kälbermägen bestimmt ist, werden die Kälbchen in der Regel wenige Stunden nach der Geburt ihrer Mutter weggenommen, in Kälberboxen gemästet und nach einem Bruchteil ihrer natürlichen Lebensspanne umgebracht, soweit sie nicht selbst als Milchkühe genutzt werden sollen. Wie qualvoll die gewaltsame Trennung für beide ist, führten ein herzzerreißender Videofilm und bewegende Geschichten vor Augen, z.B. die Geschichte von Rita und Rex, erzählt von einem Bauern auf der Alb: „Rita brachte ihr erstes Kalb Rex ohne jegliche Hilfe zu Welt. Rex wurde im Alter von knapp 19 Monaten geschlachtet. Obwohl Rex nicht mehr an seiner Mutter gesaugt hatte, zeigte sie allergrößte Traurigkeit und schrie tage- und nächtelang ihren Schmerz in die Welt hinaus. Sie wurde nicht mehr trächtig und dann ebenfalls geschlachtet. Aufgrund dieser Erfahrung nehmen wir kein Jungtier von der Mutter weg, wenn sie noch kein jüngeres Kalb hat.“

Sozial- und Gefühlsleben
Im Folgenden erfuhren die ZuhörerInnen Spannendes und Wissenswertes über das komplexe Sozial- und Gefühlsleben der Kühe: zum Beispiel, dass Kühe enge familiäre Beziehungen und lebenslange Freundschaften in Großfamilien pflegen, die sich aus 10 bis 20 Muttertieren und ihren Kindern zusammensetzen, dass Jungbullen die Herde im Alter von circa 2 Jahren verlassen und „Junggesellen“-Gruppen bilden, während erwachsene Bullen als Einzelgänger leben.

Kühe zeigen ausgeprägte Gefühle. Gut sichtbar ist z.B. die unbändige Lebensfreude beim ersten Weidegang im Frühling oder lautstarke Wiedersehensbekundungen nach eintägiger Trennung einiger Familienmitglieder, die jüngst sogar einen Polizeieinsatz ausgelöst haben:
Wenn sie in Bedrängnis gebracht werden, geraten manche der sonst friedfertigen Tiere freilich auch in unbändige Wut und greifen alles an, was sich ihnen in den Weg stellt. Immer wieder reißen vor allem Bullen ‒ von der Presse oft launig kommentiert ‒ in verzweifelter Panik und Todesangst von Schlachthöfen aus und werden „auf der Flucht erschossen“ (oder wieder eingefangen und ihrer ursprünglichen „Bestimmung“ zugeführt).

Das Leben als Milchmaschine
Wie knallhart und brutal die moderne Milchproduktion ist, schockierte selbst diejenigen der Tierschützer und Tierrechtlerinnen im Publikum, die sich bereits intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt hatten: Dank moderner „Optimierungsmethoden“ wurde die Milchleistung einer Kuh seit 1800 um das 14fache! gesteigert. Um diese riesigen Milchmengen produzieren zu können, werden die intelligenten sozialen Tiere einem gnadenlosen Verwertungsprozess unterworfen, der keinerlei Raum für angeborene Verhaltensweisen und natürliche Lebensabläufe lässt. Kurz nach der Geburt ihres Kalbs beraubt, werden sie gegen alle Natur zwangsgeschwängert noch während sie Milch geben. Fast 30% der Milchkühe in Baden-Württemberg stehen ihr Leben lang angebunden in finsteren Ställen. Fast alle anderen leben in Laufställen mit Spaltenböden über ihren eigenen Exkrementen. Um die angezüchtete riesige Milchmenge von ca. 50 l täglich abgeben zu können, werden die armen Tiere mit krankmachendem Kraftfutter anstelle von Gras und Kräutern gefüttert. Da auch dieses nicht wirklich ausreicht, zehren „moderne“ Turbokühe von ihrer eigenen Substanz, um dann nach 2 – 3 Schwangerschafts- und Laktationsperioden als elende Gerippe mit durchschnittlich vier Lebensjahren im Schlachthaus entsorgt zu werden. (Noch in den 1950er Jahren erreichten Milchkühe nicht selten noch ein Schlachtalter von 18 Jahren!)

Und selbst im Schlachthaus ist für viele das Grauen nicht schnell zu Ende. Eine aktuelle Untersuchung ergab, dass allein in NRW jedes dritte Rind bei der Schlachtung zwar gelähmt, aber aufgrund fehlerhafter Betäubung noch bei Bewusstsein ist, wenn es an einem Bein aufgehängt und ausgeblutet wird. Weiterlesen Die Leistung und das Leiden der Milchkühe

Milch: altbewährt, natürlich und gesund?
Es folgte ein höchst informatives und spannendes Kapitel über die Geschichte und „Erfindung“ der Kuhmilch als Nahrungsmittel für Menschen. Was viele nicht wissen: Seit Beginn der Domestizierung des Hausrindes vor zehntausend Jahren bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts tranken die Menschen kaum Milch. Die geringen Mengen, die für den menschlichen Verzehr abgezweigt wurden, verwendete man hauptsächlich für die Herstellung von Butter, erst später auch für die Käseproduktion. Heute konsumieren die Deutschen im Durchschnitt etwa 16 Mal so viel Milch(-produkte) wie noch 1860. (Gleichzeitig nahm der Verzehr von eiweißreichen Hülsenfrüchten um das gleiche Verhältnis ab.)
Innerhalb nur weniger Jahrzehnte ist es der Milchindustrie dank massiver Propaganda und staatlicher Unterstützung gelungen, Kuhmilch in Europa und Nordamerika zum wichtigsten Grundnahrungsmittel überhaupt zu machen. Parallel dazu nahm die Zahl der Zivilisationskrankheiten in großem Umfang zu. Dabei zeigen epidemiologische Erhebungen in Ländern mit hohem bzw. niedrigem Milchverbrauch, dass hoher Milchkonsum in ursächlichem Zusammenhang mit der Häufung von Krankheiten wie Allergien, Neurodermitis, Multiple Sklerose, Prostata- und Brustkrebskrebs, Diabetes Typ 1 und Osteoporose steht. Weiterlesen Fakten zum Lebensmittel Milch

Von wegen „dumme Kuh“!
Kühe gelten nach landläufiger Meinung als träge, schwerfällige und geistig eher einfach gestrickte Wesen. Wissenschaftliche Studien, vor allem aber zahlreiche Augenzeugenberichte, zeigen dagegen auf eindrucksvolle Weise, wie ausgesprochen sensibel, kommunikativ und verständig die Tiere sind. Vermutlich begreifen sie viel mehr von ihrer aussichtlosen Lage, als wir uns träumen lassen. Sie besitzen nämlich nicht nur ein ausgeprägtes Erinnerungsvermögen und differenzierte Kommunikationsfähigkeiten, sondern sind auch in der Lage, planvoll zu denken und zu handeln. Zum Beispiel die berühmte „Yvonne“, die dem Viehhändler entfloh, allen Nachstellungen trotzte und monatelang lang alle Verfolger narrte, bis sie die Einsamkeit nicht mehr aushielt und wieder die Gesellschaft ihrer Artgenossinnen suchte. Oder die unglückliche Mutter von Zwillingskälbchen: Sie wusste, dass man ihr den Nachwuchs wieder wegnehmen würde, und opferte eines ihrer Kinder, um wenigstens das andere behalten zu können.

Dass geistige Anstrengungen auch für Kühe höchst beglückend sein können, belegte Professor Donald M. Broom von der University of Cambridge in einem Test. Er stellte die Tiere vor die Aufgabe, eine Tür zu öffnen, um an Futter zu gelangen. Während sie das Problem lösten, wurden ihre Gehirnwellen mittels eines Elektroenzephalographen (EEG) aufgezeichnet. Ihre Hirnströme verrieten, dass die Kühe in Erregung gerieten, auch ihre Herzfrequenz erhöhte sich und einige sprangen sogar vor Freude in die Luft. Ähnlich dürfte sich die indische Kuh (in einem der vorgeführten Videos) gefühlt haben, als sie entdeckte, wie eine Brunnenpumpe funktioniert.

An diesem Abend dürfte jedem im Publikum die Lust auf Milchprodukte gründlich vergangen sein. Die Hölle, die wir diesen geschundenen Kreaturen bereiten, ist mit nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Zu Recht appellierte Wolfram Schlenker eindringlich an seine ZuhörerInnen: „Tun Sie etwas für die Ärmsten der Armen: die ‚Milchkühe‘! Meiden Sie Milch & Co.! Erzählen Sie anderen vom wahren Leben der Kühe!“

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg