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Kommentar zur Grundsatzerklärung der Max-Planck-Gesellschaft

Das Tübinger Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik steht seit geraumer Zeit in[nbsp] Kritik. Am 12. Januar veröffentlichte nun die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) eine Grundsatzerklärung zu Tierversuchen in der Grundlagenforschung.

Das Tübinger Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik steht seit geraumer Zeit in Kritik. Im September 2014 zeigten Undercoveraufnahmen Bilder der Haltungsbedingungen und Versuche mit Affen. Das stieß nicht nur einen gesellschaftlichen Diskurs an, sondern veranlasste auch die Staatsanwaltschaft, im Januar 2015 Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu beginnen. Zuletzt erklärte die Staatsanwaltschaft, ein Gutachten würde Anfang diesen Jahres vorliegen.

Die wichtigste Botschaft der Grundsatzerklärung

Am 12. Januar veröffentlichte nun die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) eine Grundsatzerklärung zu Tierversuchen in der Grundlagenforschung. Den Vorsitz der Arbeitsgruppe übernahm Prof. Wolf Singer. Er ist selbst international anerkannter Hirnforscher und ein leidenschaftlicher Verfechter von Affenexperimenten. Wenig überraschend kommt die MPG zu dem Schluss, Tierversuche seien eine methodische Notwendigkeit und der Wert des Erkenntnisgewinns in der Grundlagenforschung rechtfertige, dass Tiere als Messinstrumente verwendet werden.

Ethik der Grundlagenforschung

Moralische Pflicht zu Tierversuchen?

Die Max-Planck-Gesellschaft fühlt sich traditionell der Grundlagenforschung verpflichtet, welche definitionsgemäß „zweckfreie, nicht auf unmittelbare praktische Anwendung hin betriebene Forschung“ darstellt.[1] Weil dabei kein unmittelbarer Nutzen verfolgt wird, ist es problematisch, Tierversuche in der Grundlagenforschung gemäß einer Kosten-Nutzen-Analyse zu beurteilen. Gemäß europäischer und nationaler Gesetzgebung müssen die Kosten in Form von Leid der betroffenen Tiere aufgewogen werden durch den versprochenen Nutzen. Tierversuchskritiker sehen deshalb keine Möglichkeit, das Leid der Tiere in der Grundlagenforschung zu rechtfertigen. Die Arbeitsgruppe der MPG hingegen betont den intrinsischen Wert des Erkenntnisgewinns. Der Wert liege im Erkenntnisgewinn selbst. Weiter betont sie, dass Erkenntnisgewinn einen unbestreitbaren Beitrag zum Fortschritt geleistet habe. Zuletzt argumentiert die MPG, dass ein Handeln unverantwortlich wäre, wenn man nicht zeitgleich versucht würde, die Folgen des Handelns vorhersagen zu können. Darum sei das Bemühen, die Welt besser zu verstehen, sogar ein moralisches Gebot. Im Umkehrschluss legt die MPG damit nahe, dass jede Einschränkung der Grundlagenforschung unmoralisch sei.
Der Argumentation der MPG folgend leisten Tierversuche als Bestandteil der Grundlagenforschung einen nicht näher zu beziffernden Beitrag zum Fortschritt und kommen der moralischen Pflicht nach, die Welt besser zu verstehen, um die Folgen menschlichen Handelns besser vorherzusagen.

Ist damit jeder Tierversuch in der Grundlagenforschung legitim? Nach Auffassung der MPG stehen die Forscher auch in einer Verantwortung gegenüber den Versuchstieren, welche durch den 3R-Ansatz beschrieben wird. Forscher müssten erklären, die konkrete Fragestellung könne ausschließlich im Tierversuch beantwortet werden, die Zahl der Tiere sei auf ein statistisch bedingtes Minimum reduziert und die Versuchsplanung sei für die jeweiligen Tiere so wenig belastend wie möglich.

Ethische Rechtfertigung von Tierversuchen – Pathoinklusive Position

Die MPG betont, ethische Werte seien keine festgeschriebenen Regeln, sondern unterliegen einem beständigen Prozess der Konsensfindung und sind kulturell unterschiedlich.

Die ethische Position der MPG wird als pathoinklusiv bezeichnet. Ihr zufolge gibt es eine Hierarchie moralischer Berücksichtigungsfähigkeit. Je höher die entwickelten mentalen Fähigkeiten eines Tieres ist, desto höher sei der moralische Status. Dies hat zur Folge, dass die Interessen von moralisch höhergestellten Tieren die Interessen anderer Tiere überwiegen. In der Praxis folge, Tieren werden zwar grundlegende Rechte eingeräumt. Diese werden aber beschnitten, sobald sie mit menschlichen Interessen in Konflikt kommen. In der Grundlagenforschung bedeutet das, der Mensch habe als kognitiv höher entwickelte Art einen höheren moralischen Wert. Die Interessen des betreffenden Tieres müssen sich dem menschlichen Interesse nach Erkenntnisgewinn beugen.

Die „pathoinklusive Position“ suggeriert eine objektive und faire Gliederung des Tierreichs, da schließlich alle Tiere in ein System eingeordnet werden. Allerdings bestimmt die Ethik der pathoinklusiven Position nicht etwa das Verhalten zwischen Tierarten, sondern einzig das Verhalten des Menschen gegenüber anderen Tierarten. Gleichzeitig liefert sie eine Begründung, die den Menschen an die Spitze einer Pyramide stellt und zum moralischen Herrscher aufschwingt.

Während die MPG den Wert des menschlichen Lebens noch als absolut ansieht, gilt es bei anderen Tierarten, diesen Wert zu relativieren und durch eine Leidensobergrenze zu bestimmen.

Letztenendes wird also erklärt, in der Grundlagenforschung herrsche ein Interessenskonflikt zwischen dem betreffenden Tier und dem Menschen. Da der Mensch absolute moralische Werte hat, muss sich das Tier dem Willen des Menschen beugen.

Die „pathoinklusive Position“ steht auch hinter dem geltenden Tierschutzrecht in Deutschland und Europa. Auch hier überwiegen menschliche Interessen denen der betreffenden Tiere. Die Lust auf den Geschmack von Fleisch und tierischen Produkten, die Lust an Unterhaltung im Zoo und Zirkus, die Lust, Leder, Pelz und Wolle zu tragen überwiegen selbst grundlegende Interessen der jeweiligen Tierarten.

In Bezug auf die Grundlagenforschung spitzt die MPG die Frage weiter zu. Es wird nicht weiter hinterfragt, ob ein eventueller Erkenntnisgewinn das notwendige Leid rechtfertige, sondern es wird erklärt, dass für den Erkenntnisgewinn ein Lebewesen sterben muss:
„Die Entscheidung, die Mäuse zu töten, stützt sich auf die Grundannahme, dass der Wert eines Lebens abstufbar ist, und das Leben von Menschen und Tieren nicht den gleichen moralischen Status besitzt.“

Da häufig von Laien erklärt wird, sie verstünden ja Tierversuche für die Medikamentenentwicklung, weil dort ja ein direkter Nutzen erkennbar sei, geht die MPG auch auf dieses vermeintliche Manko der Grundlagenforschung ein, welche keinen direkten Nutzen vorweisen kann. Der mögliche Nutzen der Grundlagenforschung könne viel weitreichender sein als ein bestimmtes Medikament:

„Zukunftsweisende Entdeckungen sind oft Zufallstreffer[…]. Zudem ist es oft unmöglich, den mutmaßlichen Nutzen von Erkenntnissen einzuschätzen. Während der Nutzen eines wirksamen Arzneimittels auf der Hand liegt, erscheinen Erkenntnisse etwa über die homöostatischen Mechanismen von Organismen und Biotopen weniger bedeutend. Dabei spielen solche homöostatische Mechanismen eine wichtige Rolle für die Vorhersage der Folgen des Klimawandels. Das Wissen darüber könnte also in viel größerem Maße zum Schutz des Lebens auf unserem Planeten beitragen als die Verfügbarkeit eines speziellen Medikaments.“[2]

Kosten-Nutzen-Analyse im Tierversuch?

Der Nutzen von Tierversuchen in der Grundlagenforschung sei definitionsgemäß schwer zu beziffern. Die Ergebnisse können nicht weiter von Bedeutung sein oder gravierende Entdeckungen darstellen. Eventuell könnten auch im weiteren Forschungsverlauf wichtige Impulse gegeben werden. Aufgrund dieser Ungewissheit soll der Nutzen anhand der Originalität der Frage und dem Erklärungspotential bewertet werden. Außerdem stelle die Qualität der Forschungsmethode ein Kriterium zur Beurteilung des Nutzens dar.

Weiter erklärt die MPG, für eine Kosten-Nutzen-Analyse im Tierversuch, müsse nicht nur der Nutzen auf irgendeine abstrakte Art beziffert werden, sondern auch das Leid der betroffenen Tiere.
Hier kritisiert die MPG, dass die Beurteilung tierischen Leids stets aus der menschlichen Perspektive geschehe und bezeichnet die Zulässigkeit dieses Ansatzes als äußerst fraglich.

In der Grundsatzerklärung stellt die MPG einige rhetorische Fragen [3] und beantwortet diese selbst, die Wissenschaft könne das Leid der betreffenden Tiere nie erschöpfend beantworten.

[nbsp]

„Der Sonderfall der kognitiven Neurowissenschaft“

Mit Blick auf die Hirnforschung setzt sich die MPG nicht nur allgemein für Tierversuche ein, sondern betont, dass nach ihrem Verständnis Affenversuche notwendig sind. Darum kommt sie zu dem Schluss:

„Die Max-Planck-Gesellschaft sieht sich in der besonderen Verantwortung, die Forschung mit nichtmenschlichen Primaten voranzubringen, da die deutschen Universitäten diesen wichtigen Zweig der Neurowissenschaft unzureichend abdecken.“

Die MPG möchte in Zukunft vermehrt Affenversuche durchführen. Darunter fallen auch die Versuche von Prof. Logothetis in Tübingen und von Prof. Kreiter in Bremen, welche zu einem Rechtsstreit bis zum Oberlandesgericht geführt hatten, nachdem die Genehmigungsbehörde keine weitere Genehmigung erteilt hatte.

Im Fall der kognitiven Neurowissenschaft weicht die MPG gleich in zwei Punkten von ihrer bisherigen Argumentation ab.

Betont sie sonst, dass die Grundlagenforschung sich nicht mit Nützlichkeit und Anwendungsfähigkeit der Ergebnisse rechtfertigen muss, so erklärt sie, dass die Forschung der kognitiven Neurowissenschaft „allergrößte klinische Bedeutung“ habe und verweist darauf, dass die Ursachen der meisten neuropsychiatrischen Erkrankungen weiterhin unverstanden sind.

Hinzu kommt, dass die MPG in den übrigen Forschungsbereichen die Position vertritt, dass für die meisten biologischen Fragen Säugetiere im Grunde austauschbar sind. Die Forschung an Katzen, Mäusen, Hunden, Ratten, Kaninchen etc. erbringe daher Ergebnisse, welche den Stoffwechsel der Säugetiere im Allgemeinen und damit auch den Stoffwechsel des Menschen wiedergeben. Im Fall der kognitiven Hirnforschung nun erklärt die MPG nun, die Gehirne verschiedener Tierarten unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihrer Komplexität und inneren Organisation.[nbsp] Dies stelle ein schwerwiegendes Problem für die Untersuchung von für den Menschen charakteristischen Funktionen dar. Die kognitiven Fähigkeiten, die denen von Menschen nahekommen, ließen sich nur an trainierten nichtmenschlichen Primaten erforschen.

Parallel zur Forderung, die scharf kritisierte Affenforschung solle in Zukunft weiter augebaut werden, äußert sich die MPG zum Tierwohl der betreffenden Primaten. Die Forschung solle unter Berücksichtigung höchster wissenschaftlicher und ethischer Standards durchgeführt werden.
Den Schluss der international berühmten Primatenforscherin Dr. Jane Goodall, dass eben diese Versuche ethisch nicht zu rechtfertigen sind, scheint die MPG hingegen nicht ziehen zu wollen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die MPG erklärt, die vorherrschenden Normen der aktuellen Bioethik sprechen allen empfindungsfähigen Lebewesen einen moralischen Status zu. Weiter erklärt sie aber auch, dass menschliche Interessen, wie die Linderung von Leiden oder der Wissenserwerb als ausreichend angesehen werden, um zu rechtfertigen, wenn dafür Tieren Schaden zugefügt würde. Dies gelte unter der Bedingung, dass alle Optionen zur Vermeidung von Schmerzen und Leid ausgeschöpft würden.

Das heißt, um menschliches Leid zu lindern oder menschliche Neugier zu befriedigen sei es gerechtfertigt, andere empfindungsfähige Lebewesen leiden zu lassen oder zu töten. Es sei lediglich wichtig, dass man die Tiere nicht mehr quäle als notwendig.

Sowohl die Freiheit der Forschung als auch der Tierschutz genießen in der deutschen Gesetzgebung hohen moralischen Wert und genießen den Schutz des Grundgesetzes (Artikel 5(3) für die Forschungsfreiheit und Artikel 20a für den Tierschutz).
Die MPG schließt aus der Forschungsfreiheit, dass Forscher vor einer „unangemessenen Einmischung des Staates“ geschützt sind. Gleichzeitig erklärt sie, dass Tierversuche in diesen Bereich der Forschungsfreiheit fallen würden. Damit legt das Rechtsverständnis der MPG den Schluss nahe, dass auch der Staat keine Befugnisse hat, Tierversuche als Methode einzuschränken oder gar zu verbieten. Das bedeutet, dass die MPG die Bedeutung der Forschungsfreiheit über die Bedeutung des Tierschutzes stellt.

Nach Verständnis der Tierversuchskritiker stellt der Schutz der Wissenschaft durch Artikel 5(3) des Grundgesetzes sicher, dass staatliche Institutionen keinen Einfluss auf den Inhalt und die Ziele der Forschung nehmen dürfen, um zum Beispiel ideologisch unbequeme Forschung zu unterbinden. Dem Wortlaut des Artikels „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ sei hingegen nicht zu entnehmen, dass ethische Beschränkungen der Forschungstätigkeit verboten seien. So akzeptiert die Wissenschaftsgemeinschaft beispielsweise die ethischen Verbote zahlreicher Studien am Menschen.

Die MPG erklärt mit Verweis auf den Artikel zur Forschungsfreiheit, eine ethische Beurteilung der Forschungsmethoden sei ausschließlich dem Forscher erlaubt und staatliche Einschränkungen seien gesetzeswidrig.

Von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der Freiheit der Forschung und dem Tierschutz spricht die MPG mit Blick auf die weiteren gesetzlichen Bestimmungen. Tierversuche seien rechtswidrig, wenn sie nicht genehmigt wurden. Dies ist nur eingeschränkt richtig, da für die Ausbildung von Studenten beispielsweise Tierversuche nur anzeigepflichtig sind, das heißt, nicht zunächst von der Behörde genehmigt werden müssen.

Außerdem schildert die MPG, dass die nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfung („qualifizierte Plausibilitätskontrolle“) seitens der Behörden ein Kompromiss sei aus der Freiheit der Forscher, ihre Forschungsmethode zu wählen und den Bemühungen des Tierschutzes. Daher wird bei einer Genehmigung nur geprüft, ob für die wissenschaftliche Frage der Tierversuch als Methode notwendig ist und wie bedeutend die wissenschaftliche Frage ist. Dies werde nur insofern überprüft, als kontrolliert wird, ob eine wissenschaftlich begründete Darlegung vorliegt.

Mit Blick auf auf die europäische Gesetzgebung betont die MPG, das Wohlergehen der Tiere habe Eingang in die Forschungsausrichtung der Europäischen Union gefunden, da „dem Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen in vollem Wesen Rechnung getragen werden“ soll. Die Methode der Wahl um ethische Konflikte zwischen tierischen und menschlichen Interessen in der Forschung aufzulösen sei daher das 3R-Prinzip, welches auf der pathozentrischen Sichtweise aufbaue. In einer Kosten-Nutzen-Analyse solle die ethische Beurteilung erfolgen. Gemäß des 3R-Prinzips sind nach Auffassung der MPG Tierversuche nur für „exzellente Forschung zulässig“. Dies scheint im Widerspruch mit dem sonstigen Verständnis zu stehen. Zeitgleich erklärt die MPG schließdlich, jegliche Frage, welche sich methodisch nicht ohne Tiere beantworten ließe, sei gerechtfertigt unabhängig ihrer Exzellenz.

Kommunikation der Forschung

In der Debatte um die Bedeutung der Grundlagenforschung und die Begründung von Tierversuchen sieht die MPG ein Dilemma und drei Beteiligte.

Das Dilemma sei, dass der ethische Handlungsrahmen für wissenschaftliche Aktivitäten in einem offenen, demokratischen Diskurs festgelegt werden sollte, an welchem sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen könnten. Gleichzeitig sei die moderne Wissenschaft zu komplex und spezialisiert, als dass Außenseiter sich ein Urteil bilden könnten.

Um dennoch einen qualifizierten Diskurs zu ermöglichen, seien Wissenschaftler in der Pflicht, Fragen nach dem Was? und Warum? ihrer Arbeit zu beantworten und stets den Wert des Erkenntnisgewinns an sich zu betonen. Da der Forscher allerdings nicht die wissenschaftliche Notwendigkeit in ausreichender Breite und Tiefe vermitteln könne, solle der Laie stets Vertrauen in den Forscher haben. Forscher sollten sich entsprechend verhalten, damit dieses Vertrauen begründet ist.

Der Laie hingegen habe die Verantwortung, sich über Ziele und Methoden einer wissenschaftlichen Disziplin zu informieren und hierzu den Rat von Forschern einzuholen.

Als dritte Partei im Diskurs sieht die MPG die Journalisten in der Pflicht, die Ziele, Errungenschaften und Risiken der Wissenschaft transparent zu machen.

Alle Beteiligten sollten wissen, dass ein konstruktiver Diskurs ein Höchstmaß an Toleranz und Respekt gegenüber unterschiedlichen Meinungen verlangt, nie zu unstrittigen Lösungen führen wird, immer Kompromisse zwischen Wertekonflikten erforderlich machen wird und frei von Polemik bleiben sollte.

Während also dem Wunsch der MPG folgend die Ziele und der Nutzen von Tierversuchen stets betont werden sollten, finden sich die tierischen Kosten in der geforderten Kommunikation nicht wieder. Ebenso sind Journalisten angehalten, über die Ziele und Risiken der Wissenschaft zu informieren, die verbundenen Kosten finden jedoch keine Erwähnung.

Ein Informationsformat, das den Anforderungen der MPG entsprechen sollte, ist die Plattform tierversuche-verstehen.de. Diese wird tatsächlich auch von der MPG unterstützt. Sie betont die Erfolge von Tierversuchen und schildert nahezu alle Aspekte sachlich. Tierleid wird jedoch verschwiegen oder kleingeredet. Misserfolge von Tierversuchen finden keine Erwähnung. Diese einseitige Kommunikation fordert die MPG auch in der Grundsatzerklärung.

Wie geht es weiter?

Die Max-Planck-Gesellschaft hat einen Katalog ausgearbeitet, welcher Selbstverpflichtungen der MPG zusammenfasst. Darin finden sich auch die selbstverständliche Vision, höchste wissenschaftliche Qualität anzustreben. Es gibt wohl kaum eine Forschungsinstitution, welche einräumt, ihre Arbeit entspreche nicht der höchsten Qualität und ließe sich im Grunde methodisch verbessern. Dieses Ziel und die scharfe Kritik am Ansatz des Tiermodells hält die MPG hingegen nicht davon ab, wie gewohnt den Tierversuch als Methode zu verfolgen.

Desweiteren sollen höchstmögliche Tierschutzstandards erreicht werden. Die MPG gibt zu, dass das Sozialleben der Versuchstiere erheblich verbessert werden könnte und möchte ein besseres Lebensumfeld bieten. Während dieses Ziel mit Blick auf den Tierschutz Hoffnungen weckt, ist es wichtig, konkrete Pläne im Auge zu behalten. Als Orientierungsgrundlage benennt sie dabei das „Säugetiergutachten“ des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung aus dem Jahr 2014. Dieses gibt Empfehlungen zu Mindesanforderungen in der Haltung. Ob jene Empfehlungen hingegen den tierischen Bedürfnissen gerecht werden ist zu bezweifeln.
[nbsp]Das Gutachten räumt im Falle von Mäusen eine Fläche von 300 cm² für bis zu zwei Tiere ein und weitere 60 cm² für jedes weitere Tier. Zur besseren Veranschaulichung: Gemäß dieser Empfehlung sollten vier oder sogar fünf Mäuse auf der Fläche von zwei Briefumschlägen gehalten werden können. Auf der Fläche einer DIN A4 Seite könnten demnach bis zu sieben Mäuse artgerecht gehalten werden.

Ebenso wie die Mitgliedstaaten der EU gesetzlich verpflichtet sind erklärt auch die MPG, in Zukunft alternative Forschungsmethoden speziell zu fördern. Hierbei sollen[nbsp] Gelder für Forschung im Bereich des 3R-Ansatzes ausgeschrieben werden. Die Erfahrung zeigte, dass ein Großteil der Gelder letztlich für Projekte aufgebracht werden, welche nicht den Ersatz von Tierversuchen zum Ziel haben. Stattdessen werden Projekte unterstützt, welche die Bedingungen der Tiere im Labor und im Versuch verbessern sollen. Darunter fallen beispielsweise Studien, ob eine Brücke im Mäusekäfig eine Bereicherung darstelle. Da die MPG Studien durchführen möchte, um Tierleid besser vermessen zu können, können auch Forschungsprojekte darunter fallen, welche die Empfindungsfähigkeit, die Schmerzerfahrung, das Bewusstsein und die Intelligenz in der Tierwelt objektiv ermitteln wollen. Dieser Punkt scheint besonders stark gefördert zu werden, weil ein weiterer Punkt der Selbstverpflichtungen die ständige Verbesserung von Tierversuchen vorsieht. Während zusätzliche Fördergelder zunächst vielversprechend klingen, gilt es nun darauf zu achten, wofür diese Gelder konkret aufgebracht werden sollen und wie viel davon letztlich dem Ersatz von Tierversuchen zugute kommen wird. Eine Forschungsgesellschaft, welche sich eine moralische Pflicht zu Tierversuchen zurechtlegt steht in dem Verdacht, jene Tierversuche nicht abschaffen zu wollen und stattdessen mit Zugeständnissen des Tierwohls den Tierversuch weiter zu verteidigen.

Als weiteren Punkt möchte die MPG eine aktive Rolle im öffentlichen Diskurs um Tierversuche übernehmen und dabei offen und transparent zu kommunizieren. Den Vorgaben folgend wird dabei hingegen tierisches Leid in der Kommunikation vernachlässigt oder kleingeredet. Eine stärkere Transparenz seitens der Forschungsgemeinschaft ist sehr zu begrüßen. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Kommunikation nicht einseitig geschieht. Neue Kommunikationsportale wie tierversuche-verstehen.de bestätigen diese Befürchtung. Desweiteren sollen Forscher darin geschult werden, ethisch zu argumentieren. Um dies zu unterstützen sollen geisteswissenschaftliche Disziplinen einbezogen werden, welche Fragen wie das Recht auf Leben, eine Obergrenze für Schmerzen, Leiden und Ängste und ein bioethisches Konzept der Verletzlichkeit behandeln. Damit zeigt sich die MPG offen für ethische Diskussionen. Allerdings ist naheliegend, dass sie dabei auch weiterhin den pathozentrische Ansatz verteidigen wird, welcher aus Sicht des Tierrechts eine Diskriminierung der Tierwelt gegenüber dem Menschen darstellt.

Zuletzt soll eine Datenbank eingeführt werden, in welcher sämtliche Tierversuche aller Organe der Max-Planck-Gesellschaft verzeichnet werden. Damit soll einer eventuellen doppelten Durchführung desselben Tierversuchs vorgebeugt werden. Außerdem soll die Datenbank genutzt werden, um Trends in der tierexperimentellen Forschung zu analysieren. Diese Datenbank stellt einen Fortschritt dar. Analog zur jährlichen Veröffentlichung der Versuchstierzahlen seitens des Bundesministeriums wird eine Veröffentlichung der MPG die Möglichkeit bieten, Entwicklungen in der tierexperimentellen Forschung abzulesen und den Erfolg von Maßnahmen zu erfassen, welche das Ziel haben, Tierversuche zu reduzieren oder zu ersetzen.

Fazit

Mit der Grundsatzerklärung gibt die Max-Planck-Gesellschaft bekannt, dass sie Tierversuche in der Grundlagenforschung auch in Zukunft durchführen und die Affenforschung sogar stärker ausbauen wird. Zeitgleich stellt die MPG Maßnahmen vor, welche eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema tierversuche in Zukunft erleichtern sollten.

Der Verein MENSCHEN FÜR TIERRECHTE – Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.V. kritisiert einige Punkte der Grundsatzerklärung. Er vertritt eine andere ethische Position, welche das tierische Leben davor schützt, für menschliche Interessen instrumentalisiert zu werden. In der Folge kommt der Verein zu dem Schluss, dass die Abschaffung von Tierversuchen moralisch gefordert ist und die Nutzung von Tieren in der Forschung nicht gegen einen eventuell zu erwartenden menschlichen Nutzen aufzuwiegen ist. Entgegen der MPG betrachtet der Verein ein Verbot von Tierversuchen in der Grundlagenforschung nicht als unzulässigen Eingriff in die Freiheit der Forschung, sondern als menschliche Pflicht gegenüber den Tieren. Die Forschung soll frei sein in der Wahl der Ziele und Gebiete unter der Bedingung, dass kein empfindungsfähiges Lebewesen darunter leiden muss. Insbesondere das Vorhaben, Grundlagenforschung an nichtmenschlichen Primaten stärker auszubauen kritisiert der Verein scharf.

Weitere Maßnahmen wie eine verstärkte Kommunikation der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit, die Einführung einer Tierversuchsdatenbank,die Förderung von 3R-Forschung und die Verbesserung der Haltungsbedingungen von Versuchstieren begrüßt der Verein. Gleichzeitig ist es wichtig, die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen kritisch zu verfolgen.

[nbsp]

[1][nbsp][nbsp][nbsp][nbsp] http://www.duden.de/rechtschreibung/Grundlagenforschung

[2][nbsp][nbsp][nbsp][nbsp] Homöostase beschreibt die Vorgänge in der Natur und im Körper, um ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, zum Beispiel beim Blutdruck oder bei der Jahresdurchschnittstemperatur.

[3][nbsp][nbsp][nbsp][nbsp] Sind Schmerzempfindlichkeit und Schmerzerfahrung sowie Angst und Stress (z.B. durch Gefangenschaft und Isolation) bei allen Spezies gleich? Und wenn nicht: Wie soll man das Leiden, das durch einen chirurgischen Eingriff oder eine genetische Veränderung verursacht wird, auf einer quantitativen Skala einordnen? Was bedeutet es für eine Gruppe von Tieren, wenn eines von ihnen aus der Gemeinschaft verschwindet oder seine Lebensdauer verkürzt wird? Oder was bedeutet es für ein einzelnes Tier, wenn es von seiner Gemeinschaft getrennt wird?

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg