Der Mythos von sicheren Medikamenten durch Tierversuche

In diesem Artikel wollen wir einmal die Ergebnisse der Suche nach Nebenwirkungen in nichtmenschlichen Tieren unter die Lupe nehmen.

Eine klassische Frage in der Diskussion um Tierversuche ist „Wollen Sie etwa ihrem Kind ein Medikament geben, das nicht an Tieren getestet worden ist?“. Meist antwortet der Fragende selbst: „Also ich bin ja froh, dass neue Medikamente erstmal an Tieren ausprobiert werden.“ Diese Aussage legt nahe, dass der Mensch andere Tiere als Vorkoster verwenden sollte. Vorkoster waren im antiken Rom Sklaven, welche die Speisen der Herrschenden probieren mussten. Wenn der Sklave auch nach einiger Zeit keine Anzeichen einer Vergiftung zeigte, galt die Speise als sicher.

Da der menschliche Körper zu komplex ist, als dass ein Medikament nur eine Wirkung haben könnte, stellt sich bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen auch immer die Frage nach den Nebenwirkungen. Das bekannteste Beispiel ist die fruchtschädigende Eigenschaft von Thalidomid, das unter dem Namen Contergan als Beruhigungsmittel verkauft worden war. Insbesondere schwangere Frauen, die mit morgendlicher Übelkeit zu kämpfen hatten, sollten davon profitieren. In der Folge kamen mehrere tausend Kinder missgebildet zur Welt, bis aufgeklärt worden war, dass das Medikament dafür verantwortlich war.

Contergan wurde zuvor bereits an Ratten, Mäusen, Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen und Hunden ausprobiert. Da keine schweren Nebenwirkungen erkannt wurden, war Contergan sogar als „erstes bromfreies Schlaf- und Beruhigungsmedikament ohne größere Nebenwirkungen“ beworben worden. Als bekannt wurde, welche Schäden das Medikament für das sich entwickelnde Kind im Mutterleib anrichten kann, wurden erneut Tierversuche, diesmal an schwangeren Tieren, durchgeführt. Das Resultat war, dass bei keines der bekannten Versuchstiere diese Schädigung auftrat. Letztlich wurde eine Tierart gefunden. Der Weiße Neuseeländer ist eine spezielle Kaninchenart, die auf gute Fleischausbeute gezüchtet war und ebenfalls Missbildungen im Mutterleib erleidete.
Contergan ist nicht der einzige Fall mit gravierenden Nebenwirkungen beim Menschen, nachdem die Forscher auf Grundlage von Tierversuchen eine Unbedenklichkeit bescheinigt hatten. 95 Prozent der Medikamente, welche laut Tierversuchen vielversprechend sind, scheitern bei der Testung am Menschen. Die Gründe sind fast ausschließlich die mangelnde Wirkung am Patienten oder gravierende Nebenwirkungen. Auch Medikamente, welche nach der Testung an Patienten eine Marktzulassung erhalten, werden in 20-50 Prozent der Fälle wieder vom Markt genommen oder mit zusätzlichen Warnhinweisen versehen.

In diesem Artikel wollen wir einmal die Ergebnisse der Suche nach Nebenwirkungen in nichtmenschlichen Tieren unter die Lupe nehmen. Dazu betrachten wir zwei Studien:

Die erste Studie stellte die Frage, wie viele der menschlichen Giftigkeitsbefunde schon zuvor in anderen Tierarten aufgetreten waren. Dabei wurde bereits vorselektiert. Es wurden nur gravierende Nebenwirkungen untersucht, welche Einfluss auf die Medikamentenentwicklung genommen hatten. Damit seien die „Myriaden von kleineren Nebenwirkungen, welche jedes neue Medikament begleiten“ im Vorfeld ausgeklammert. Untersucht wurde also nur, ob eine nachweislich beim Menschen auftretende schwere Nebenwirkung schon vorab in einer Studie an Versuchstieren beobachtet worden war.

Das Ergebnis war schockierend. 71 Prozent der schweren Nebenwirkungen waren vorab auch an einzelnen Tieren in Versuchen beobachtet worden. Das bedeutet, dass 29 Prozent der schwerwiegenden Giftigkeitsbefunde im Tierversuch nicht auftraten, sondern ausschließlich beim Menschen erkannt wurden. Fast jede dritte Schädigung, die bei der Testung am Menschen auftritt, ist den Forschern vollkommen neu. Das macht bereits deutlich, dass keinesfalls von sicheren Medikamenten gesprochen werden kann. Bei 7 Prozent der Nebenwirkungen hat man eine entsprechende Schädigung bei Nagetieren gesehen und beschlossen, sie zu vernachlässigen, weil sie bei Hunden und Affen nicht auftrat. Andersherum gab es Nebenwirkungen, welche zwar bei Hunden oder Affen auftraten, die allerdings bei Nagetieren fehlten und deshalb vernachlässigt wurden. Und weitere 36 Prozent der Nebenwirkungen traten sowohl bei Nagetieren, als auch bei Hunden oder Affen auf, aber sie wurden nicht berücksichtigt, vermutlich weil die Zahl der daran leidenden Tiere zu klein war, um die Wirkung ernstzunehmen.

Wohlgemerkt alle Medikamente sind zur Testung am Menschen zugelassen worden, obwohl bereits 71 Prozent der gravierenden Nebenwirkungen in Versuchen an Tieren beobachtet worden waren. Der Grund dafür war, dass man nicht sicher wusste, ob die Schädigungen beim Menschen auch auftreten würden oder nicht. Das macht deutlich, wie schwer es ist, ein Ergebnis auf eine andere Tierart zu übertragen.

Eine weitere Studie stellte die Frage daher grundlegender: Kann der Befund einer Tierart vorhersagen, ob eine andere Tierart geschädigt würde? Das betont gleich zwei essentielle Punkte. Erstens ist es wichtig bei der Beurteilung der Giftigkeit, eine Vorhersage treffen zu können. Es ist schlecht im Nachhinein festzustellen, dass man schon vorher Indizien hatte, die man nicht recht zu deuten wusste. Zweitens wird nicht nur die Übertragbarkeit von anderen Tierarten auf den Menschen hinterfragt, sondern auch untersucht, ob Ergebnisse der Maus besser übertragbar wären auf den Hund, das Kaninchen, den Affen oder die Ratte und auch umgekehrt, ob die Ergebnisse des Affen Rückschlüsse auf die Situation beim Kaninchen, dem Hund oder der Ratte erlauben könnten. Auch hier waren die Ergebnisse ernüchternd.

Die Gesundheit des einen Tieres hatte überhaupt keine Aussagekraft, ob die andere Tierart geschädigt würde oder nicht. Wenn eine Tierart an Nebenwirkungen litt, war das fast nie ein zuverlässiger Indikator dafür, dass auch die andere Tierart daran leiden würde. Einzig bei Maus und Ratte konnte darauf geschlossen werden, dass jeweils auch das andere Nagetier leiden würde. Zwischen Hunden, Affen, Menschen und Mäusen hingegen war ein Giftigkeitsbefund in der einen Tierart in der Regel nur ein mäßiges, aber kein zuverlässiges Indiz. Während Wissenschaftler in letzter Zeit zunehmend betonen, dass Primaten als die Nächstverwandten des Menschen als bestmögliches „Tiermodell“ mehr benutzt werden sollten, kommt die Studie zu faszinierenden Ergebnissen. Die Aussagekraft zwischen Primaten und Menschen war nahezu die schwächste unter allen untersuchten Tierarten. Eine vergiftete Maus war für Affen ein stärkeres Indiz als es ein vergifteter Affe für den Menschen war.Tatsächlich war ein leidender Affe für Mäuse, Ratten und Hunde ein gefährlicheres Zeichen als für den Menschen. Dabei gilt es zu betonen, dass keine Tierart ein zuverlässiger Indikator für eine andere Tierart war. Es gab nur unzuverlässige und weniger unzuverlässige Ergebnisse. Die Authoren der Studie kommen zusammenfassend zu dem Schluss, dass keine Tierart als „Modell“ für den Menschen dienen kann.

Die eingangs gestellte Frage, ob es für uns und unsere Kinder nicht sicherer sei, wenn Medikamente erstmal an Tieren getestet werden lässt sich also eindeutig beantworten. Nein!

Wenn eine andere Tierart das Medikament gut verträgt, sagt das nichts darüber aus, ob auch Menschen das Medikament gut vertragen. Wenn eine andere Tierart unter Nebenwirkungen leidet, ist das kein Beweis für die Giftigkeit am Menschen.

Quellen:
• Hartung T.: Look back in anger – what clinical studies tell us about preclinical work. ALTEX[nbsp] 2013; 30(3):275-91
• Lasser K. E. et al.: Timing of new black box warnings and withdrawals for prescription of medications.The Journal of the American Medical Association 2002; 287(17): 2215-2220
• Olson H. et al.: Concordance of the toxicity of pharmaceuticals in humans and in animals. Regul Toxicol Pharmacol. 2000;32:56–67
• Bailey J. et al.: Predicting Human Drug Toxicity and Safety via Animal Tests: Can Any One Species Predict Drug Toxicity in Any Other, and Do Monkeys Help? ATLA 2015; 43: 939-403

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Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg