Der Ulmer Weihnachtsmarkt wird auch künftig eine lebendige Krippe mit echten Tieren zeigen. Das hat der Aufsichtsrat der Ulm-Messe im Sommer 2025 beschlossen. Die Entscheidung wurde öffentlich kommuniziert und wird von Stadt und Veranstalter mit verschiedenen Argumenten begründet.
Nach Medienberichten und offiziellen Angaben umfasst die lebendige Krippe rund 300 Quadratmeter. Eingesetzt werden Esel mit Fohlen sowie Schafe mit Lämmern. Die Verantwortlichen betonen, dass umfangreiche Maßnahmen zum Tierwohl ergriffen würden und verweisen unter anderem auf eine Studie aus dem Jahr 2024, die keine Hinweise auf anhaltenden Stress oder Schmerzen bei den untersuchten Tieren festgestellt habe.
Als Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e. V. halten wir es für wichtig, diese Argumente nicht auszublenden, sondern offen zu benennen – und zugleich tierschutzfachlich einzuordnen.
Welche Argumente werden für die lebendige Krippe genannt?
In der öffentlichen Kommunikation werden insbesondere folgende Punkte angeführt:
•Die lebendige Krippe sei eine jahrzehntelange Tradition und ein emotionaler Anziehungspunkt für viele Besucherinnen und Besucher.
•Die Tiere würden in Stallanlagen mit Rückzugsmöglichkeiten untergebracht, nachts versorgt und regelmäßig tierärztlich betreut.
•Laut Stadt und Veranstalter sei die Haltung mit den geltenden tierschutzrechtlichen Vorgaben vereinbar.
•Eine Studie aus dem Jahr 2024 komme zu dem Ergebnis, dass bei den untersuchten Tieren keine dauerhaften Stress- oder Schmerzreaktionen festgestellt worden seien.
Diese Aspekte verdienen eine sachliche Betrachtung. Aus unserer Sicht greifen sie jedoch zu kurz.
Warum wir diese Argumente kritisch sehen
1. Die zentrale Frage ist nicht die Betreuung, sondern der Ort
Auch wenn Tiere begleitet und kontrolliert werden: Ein Weihnachtsmarkt ist ein öffentlicher, stark frequentierter Raum mit Lärm, Menschenmengen, wechselnden Reizen, Beleuchtung, Gerüchen und nächtlicher Aktivität.
Die entscheidende Frage lautet daher nicht, wie gut Tiere dort betreut werden, sondern ob dieses Umfeld grundsätzlich geeignet ist – insbesondere für Tiere mit ausgeprägtem Ruhe-, Bewegungs- und Rückzugsbedarf.
2. Studien sind Momentaufnahmen, keine Grundsatzentscheidung
Untersuchungen erfassen in der Regel begrenzte Zeiträume und ausgewählte Stressparameter. Subtile oder chronische Belastungen – etwa durch dauerhafte Reizüberflutung, eingeschränkte Wahlfreiheit oder fehlende Rückzugsmöglichkeiten im Marktgeschehen – lassen sich dadurch nur eingeschränkt abbilden.
Eine einzelne Studie kann daher nicht beantworten, ob der Einsatz von Tieren in einem solchen Umfeld grundsätzlich verantwortbar ist.
3. Jungtiere sind besonders sensibel
In Ulm werden Esel mit Fohlen sowie Schafe mit Lämmern eingesetzt. Jungtiere befinden sich in sensiblen Entwicklungsphasen und reagieren besonders empfindlich auf Stress, Unruhe und wechselnde Umwelteinflüsse.
Dass gerade sie Teil einer mehrwöchigen Präsentation im Weihnachtsmarktumfeld sind, halten wir unabhängig von Einzelfallbetreuung für problematisch.
4. Rechtliche Zulässigkeit ersetzt keine ethische Bewertung
Dass eine Praxis rechtlich zulässig ist, bedeutet nicht automatisch, dass sie zeitgemäß oder ethisch angemessen ist. Gesellschaftliche Standards im Umgang mit Tieren entwickeln sich weiter – auch im öffentlichen Raum.
5. Tradition ist kein Tierschutzargument
Traditionen verändern sich. Heute stehen zahlreiche tierfreie Alternativen zur Verfügung, die Atmosphäre, Symbolik und Familienfreundlichkeit eines Weihnachtsmarkts bewahren können, ohne Tiere in ein potenziell belastendes Umfeld zu bringen.
Öffentlicher Raum bedeutet auch nicht kalkulierbare Risiken
Ein weiterer Aspekt wird in der öffentlichen Debatte häufig unterschätzt: Restrisiken im öffentlichen Raum.
Ein aktueller Vorfall in Erbach (Hessen) verdeutlicht dies. Dort kam es auf einem Weihnachtsmarkt zu einem Übergriff auf zwei Esel, die im Rahmen einer lebendigen Krippe eingesetzt wurden. Der Vorfall ereignete sich trotz organisatorischer Strukturen und Betreuung.
Weihnachtsmärkte sind geprägt von:
- hohem Besucheraufkommen,
- Alkoholkonsum,
- emotional aufgeladener Stimmung,
- unübersichtlichen Situationen in den Abend- und Nachtstunden.
Solche Faktoren lassen sich nicht vollständig kontrollieren – unabhängig davon, wie sorgfältig eine Veranstaltung geplant ist. Aus tierschutzfachlicher Sicht stellt sich daher nicht nur die Frage nach organisatorischen Maßnahmen, sondern nach der grundsätzlichen Angemessenheit, Tiere solchen Rahmenbedingungen auszusetzen.
Unser Fazit
Wir stellen nicht in Abrede, dass sich Verantwortliche um gute Bedingungen bemühen.
Wir sind jedoch überzeugt:
Lebendige Krippen mit echten Tieren gehören nicht in das Umfeld eines Weihnachtsmarkts – auch dann nicht, wenn sie gut gemeint und begleitet sind.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Tieren bedeutet, sie nicht als Kulisse für Veranstaltungen zu nutzen, sondern ihre artspezifischen Bedürfnisse konsequent in den Mittelpunkt zu stellen.
So können Sie aktiv werden
Wenn auch Sie der Meinung sind, dass der Einsatz lebender Tiere auf Weihnachtsmärkten nicht mehr zeitgemäß ist, können Sie sich beteiligen:
- Schreiben Sie sachlich an die Stadt Ulm und die Verantwortlichen des Weihnachtsmarkts
und teilen Sie Ihre Einschätzung mit. - Eine kurze Textvorlage sowie die relevanten Kontaktadressen stellen wir hier zur Verfügung.
Je mehr Menschen sich respektvoll und konstruktiv einbringen, desto deutlicher wird das gesellschaftliche Signal.
Stadt Ulm
Betreff: Lebendige Krippe auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt – Bitte um erneute Prüfung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit Interesse habe ich die öffentliche Berichterstattung zur Entscheidung verfolgt, die lebendige Krippe auch weiterhin als Teil des Ulmer Weihnachtsmarkts zu zeigen.
Nach offiziellen Angaben umfasst die Krippe rund 300 Quadratmeter und zeigt lebende Tiere, darunter Esel mit Fohlen sowie Schafe mit Lämmern. Stadt und Veranstalter betonen, dass umfangreiche Maßnahmen zum Tierwohl umgesetzt würden und verweisen unter anderem auf eine Studie aus dem Jahr 2024, die keine Hinweise auf anhaltenden Stress oder Schmerzen bei den untersuchten Tieren festgestellt habe.
Ich möchte diese Argumente ausdrücklich aufgreifen – und dennoch meine grundsätzlichen Bedenken äußern.
Aus meiner Sicht stellt sich weniger die Frage, ob Tiere auf einem Weihnachtsmarkt begleitet, kontrolliert oder tierärztlich betreut werden, sondern ob ein Weihnachtsmarkt als öffentlicher, stark frequentierter Raum grundsätzlich ein geeigneter Aufenthaltsort für Tiere ist, insbesondere für Jungtiere.
Weihnachtsmärkte sind geprägt von:
- hohem Besucheraufkommen,
- Lärm und wechselnden Reizen,
- Beleuchtung und Aktivitäten bis in die Abend- und Nachtstunden,
- sowie Situationen, die sich nicht vollständig kontrollieren lassen.
Auch wenn einzelne Studien keine akuten Stressreaktionen messen, können solche Untersuchungen aus meiner Sicht nicht abschließend bewerten, ob eine mehrwöchige Präsentation von Tieren in einem solchen Umfeld langfristig angemessen ist. Studien erfassen in der Regel begrenzte Zeiträume und ausgewählte Parameter, nicht jedoch alle Formen subtiler oder chronischer Belastung.
Hinzu kommt, dass in Ulm auch Jungtiere eingesetzt werden. Gerade Fohlen und Lämmer befinden sich in sensiblen Entwicklungsphasen und reagieren besonders empfindlich auf Umweltreize. Unabhängig von der Qualität einzelner Maßnahmen halte ich es daher für fraglich, ob dieses Umfeld ihren artspezifischen Bedürfnissen gerecht wird.
Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: Öffentliche Weihnachtsmärkte bringen auch Restrisiken mit sich. Ein aktueller Vorfall in Hessen, bei dem es im Rahmen einer lebendigen Krippe zu einem Übergriff auf Esel kam, hat gezeigt, dass selbst gut organisierte Veranstaltungen nicht alle Risiken ausschließen können.
Mir ist bewusst, dass die lebendige Krippe für viele Menschen eine lange Tradition hat. Gleichzeitig bin ich der Ansicht, dass sich gesellschaftliche Erwartungen an den Umgang mit Tieren weiterentwickeln. Heute stehen zahlreiche tierfreie Alternativen zur Verfügung, die Symbolik und Atmosphäre eines Weihnachtsmarkts bewahren können, ohne Tiere in ein potenziell belastendes Umfeld zu bringen.
Ich möchte Sie daher bitten, den Einsatz lebender Tiere auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt noch einmal kritisch zu überprüfen und zu prüfen, ob künftig eine tierfreie Gestaltung möglich ist.
Vielen Dank, dass Sie sich mit dieser Rückmeldung auseinandersetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Veranstalter
Betreff: Lebendige Krippe auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt – Bitte um erneute Bewertung
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Veranstalter des Ulmer Weihnachtsmarkts möchte ich mich mit dieser Nachricht an Sie wenden, da Sie maßgeblich für die Ausgestaltung und Durchführung der Veranstaltung verantwortlich sind.
In der öffentlichen Berichterstattung wurde kommuniziert, dass die lebendige Krippe auch künftig Teil des Weihnachtsmarkts bleibt. Nach offiziellen Angaben umfasst sie rund 300 Quadratmeter und zeigt lebende Tiere, darunter Esel mit Fohlen sowie Schafe mit Lämmern. Zudem wird darauf verwiesen, dass umfangreiche Maßnahmen zum Tierwohl umgesetzt würden und eine Studie aus dem Jahr 2024 keine Hinweise auf anhaltenden Stress oder Schmerzen bei den untersuchten Tieren festgestellt habe.
Ich möchte diese Argumente ausdrücklich aufgreifen, gleichzeitig aber meine grundsätzlichen Bedenken äußern.
Aus meiner Sicht stellt sich weniger die Frage, wie gut Tiere im Rahmen des Weihnachtsmarkts betreut werden, sondern ob ein Weihnachtsmarkt als öffentlicher, stark frequentierter Veranstaltungsort grundsätzlich ein geeigneter Ort für Tiere ist – insbesondere für Jungtiere.
Der Ulmer Weihnachtsmarkt ist geprägt von:
- hohem Besucheraufkommen,
- Lärm und wechselnden Reizen,
- Beleuchtung und Aktivitäten bis in die Abend- und Nachtstunden,
- sowie Situationen, die sich organisatorisch nicht vollständig kontrollieren lassen.
Auch wenn einzelne Studien keine akuten Stressreaktionen messen, können solche Untersuchungen aus meiner Sicht nicht abschließend beurteilen, ob die mehrwöchige Präsentation von Tieren in diesem Umfeld langfristig angemessen ist. Studien erfassen begrenzte Zeiträume und ausgewählte Parameter, nicht jedoch alle Formen subtiler oder chronischer Belastung.
Hinzu kommt, dass in Ulm auch Jungtiere eingesetzt werden. Gerade Fohlen und Lämmer befinden sich in sensiblen Entwicklungsphasen und reagieren besonders empfindlich auf Umweltreize. Unabhängig von der Qualität einzelner Maßnahmen halte ich es daher für fraglich, ob dieses Setting ihren artspezifischen Bedürfnissen gerecht wird.
Ein weiterer Aspekt betrifft Restrisiken im öffentlichen Raum. Ein aktueller Vorfall auf einem Weihnachtsmarkt in Hessen, bei dem es im Rahmen einer lebendigen Krippe zu einem Übergriff auf Esel kam, hat gezeigt, dass selbst gut organisierte Veranstaltungen nicht alle Risiken ausschließen können.
Mir ist bewusst, dass die lebendige Krippe für viele Besucherinnen und Besucher eine traditionelle Bedeutung hat. Gleichzeitig bin ich der Ansicht, dass sich Erwartungen an einen verantwortungsvollen Umgang mit Tieren weiterentwickeln. Als Veranstalter haben Sie aus meiner Sicht die Möglichkeit, hier neue Wege zu gehen und tierfreie Alternativen zu prüfen, die Atmosphäre und Symbolik des Weihnachtsmarkts bewahren, ohne Tiere diesem Umfeld auszusetzen.
Ich möchte Sie daher bitten, den Einsatz lebender Tiere auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt noch einmal kritisch zu überdenken und zu prüfen, ob künftig eine tierfreie Gestaltung möglich ist.
Vielen Dank für Ihre Zeit und die Berücksichtigung dieser Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Sponsoren (optional)
Betreff: Sponsoring Ulmer Weihnachtsmarkt – Nachfrage zur lebendigen Krippe
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe gesehen, dass Ihr Unternehmen den Ulmer Weihnachtsmarkt unterstützt.
In der öffentlichen Berichterstattung wird derzeit auch die lebendige Krippe mit echten Tieren thematisiert, die weiterhin Teil des Weihnachtsmarkts ist. Da mir ein verantwortungsvoller Umgang mit Tieren wichtig ist, interessiert mich, wie Sie als Sponsor diese Praxis einordnen.
Unabhängig von organisatorischen Maßnahmen stellt sich für mich die grundsätzliche Frage, ob ein stark frequentierter Weihnachtsmarkt als öffentlicher Raum ein geeigneter Ort für Tiere – insbesondere für Jungtiere – ist.
Ich würde mich über eine kurze Rückmeldung freuen, wie Sie dieses Thema im Rahmen Ihres Engagements bewerten.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Mit freundlichen Grüßen
