Das Leiden hinter dem Ei: Was die Eierproduktion Hühnern antut

Eier und das oft unsichtbare Tierleid

Eier gelten vielen als natürliches und harmloses Lebensmittel. Doch hinter jedem Ei steckt großes Tierleid – von der Geburt der Küken bis zum Tod der Hennen. Legehennen (weibliche Hühner, die für die Eierproduktion gezüchtet werden) durchleben ein kurzes Leben voller Entbehrungen. Ihre Brüder landen meist in der Mast oder werden noch im Ei getötet, weil sie keine Eier legen. Die Hennen selbst werden zu Hochleistungstieren gezüchtet, legen über 300 Eier pro Jahr (zum Vergleich: wildlebende Hühnervögel würden nur rund 10–20 Eier pro Jahr legen) und sind dabei enormem Stress und gesundheitlichen Schäden ausgesetzt​ destatis.de n-tv.de. Nach etwa einem Jahr intensiver Legetätigkeit lässt die Leistung nach – und die “verbrauchten” Hühner werden im Alter von nur ca. 16–18 Monaten als wertloses Nebenprodukt der Eierindustrie getötet​ rettet-das-huhn.de. Diese Realität betrifft in Deutschland rund 45 Millionen Legehennen (Stand 2024) – und über 13,7 Milliarden Eier werden hierzulande pro Jahr produziert​ destatis.de. Rechnerisch isst jede Person in Deutschland rund 249 Eier pro Jahr – einschließlich der in verarbeiteten Produkten enthaltenen Eier​ ​tagesschau.de. Diese enorme Nachfrage geht mit immensem Tierleid einher.

Hochgezüchtete Legehennen: Gesundheitliche Qualen durch „Legeleistung“

Die moderne Legehenne ist das Resultat jahrzehntelanger Zucht auf Maximalproduktion von Eiern. Dieses einseitige Zuchtziel – analog zur Milchkuh oder zum Masthuhn – hat gravierende gesundheitliche Folgen für die Tiere​​. Eine gesunde Henne würde in Freiheit nur während der Brutzeit einige wenige Eier legen, doch Legehybriden legen fast täglich ein Ei. Das zehrt am Körper: Für jede Eierschale wird Calcium aus den Knochen gezogen – die Knochen werden dünn und brüchig. Osteoporose und Knochenbrüche sind daher bei Legehennen extrem häufig. Studien zeigen, dass je nach Haltung 85–97 % der Hennen Knochenbrüche (meist Brustbeinfrakturen) erleiden​ n-tv.deluzernerzeitung.ch. Viele Brüche bleiben unentdeckt, da die Tiere instinktiv Schwäche verbergen. Man kann aber davon ausgehen, dass ein Großteil der Hennen während der Legeperiode chronische Schmerzen erduldet. Auch die inneren Organe werden durch die ständige Eierproduktion belastet – Legedarmentzündungen und Eileiter-Vorfälle (wenn beim Legen innere Organteile mit herausgedrückt werden) treten auf.

Haltungsbedingungen: Käfig, Boden, Freiland, Bio – überall leiden Hühner

Obwohl Hühner soziale und intelligente Tiere sind, können sie in keiner Form der kommerziellen Haltung ihre arteigenen Bedürfnisse wirklich ausleben. Je nach Betriebsform unterscheiden sich die Haltungsbedingungen, aber scharren im Waldboden, Sonnenbaden oder ein artgemäßes Sozialleben sind kaum möglich. Ein Überblick über die Haltungsformen und warum jede mit Leid verbunden ist:

Käfighaltung (Kleingruppenhaltung)

In klassischen Batteriekäfigen hatten Hennen nur etwa eine DIN-A4-Seite Platz pro Tier. Solche Käfige sind in der EU seit 2012 verboten. Ihr Nachfolger ist die sogenannte Kleingruppenhaltung in ausgestalteten Käfigen. Hier haben mehrere Hennen einen etwas größeren Käfig mit Sitzstange und Legenest. Doch auch in diesen Käfigen stehen den Hühnern pro Tier nur unwesentlich mehr als ein A4-Blatt an Platz zur Verfügung. Enge, Gitterboden und fehlende Abwechslung führen zu schwerem Stress: Kannibalismus und Federpicken treten häufig auf​. Verbesserungen wie etwas Sitzstangenmaterial ändern wenig – das Leid wird nur minimal gemindert​. In Deutschland ist die Käfighaltung rechtlich seit 2010 untersagt; die Kleingruppenkäfige sind seit 2016 verboten, laufen aber mit Bestandsschutz teils noch bis Ende 2025 aus​ landwirtschaft.de. Entsprechend sank der Anteil der in Käfigen gehaltenen Hennen 2024 auf nur noch ca. 4,3 %destatis.de. Allerdings gelangen Käfigeier weiterhin in den Handel: Import-Eier aus Ländern ohne Käfigverbot werden oft in verarbeiteten Produkten (Backwaren, Nudeln, Mayo) oder als gefärbte Eier verkauft – hier greift die Kennzeichnungspflicht nämlich nicht​. So stammt ein Großteil der verarbeiteten oder bunt gefärbten Eier nach wie vor aus Käfighaltung.

Bodenhaltung

Dies ist heute die häufigste Haltungsform in Deutschland (2024: 58 % der Eierproduktion)destatis.de.  Die Hennen leben in großen Hallen auf Einstreu (häufig mehreren tausend Tiere pro Stall). Pro Quadratmeter sind bis zu 9 Hennen zugelassen. Es gibt Nester und Sitzstangen, aber kein Auslauf ins Freie. Die dichte Belegung und Langeweile führen oft zu Verhaltensstörungen wie Federpicken. Lange war es üblich, die empfindlichen Schnabelspitzen der Küken zu kürzen (abzuschleifen), um Verletzungen durch Kannibalismus vorzubeugen – ein schmerzhafter Eingriff. Seit 2017 wird das Schnabelkürzen in Deutschland bei Legehennen nicht mehr praktiziert​. Doch das Grundproblem bleibt: Die Tiere leben auf engem Raum, auf Gitter- oder Betonboden im Kotbereich der Halle, können kaum scharren oder picken und sehen niemals Tageslicht​ rettet-das-huhn.de.  Das Ausleben natürlicher Verhaltensweisen ist nur eingeschränkt möglich

Freilandhaltung

Hier haben die Hennen tagsüber Zugang zu einem Außenbereich (in der Regel grünes Auslaufgelände, mind. 4 m² Platz pro Huhn). Etwa 23–24 % der Eier in Deutschland stammen aus Freilandhaltungdestatis.de. Auf den ersten Blick bedeutet Freiland mehr Tierwohl: Die Hühner können an die frische Luft, scharren im Boden und sonnen sich. Allerdings sind die Stallbedingungen drinnen ähnlich der Bodenhaltung (viele Tiere auf engem Raum). Zudem nutzen oft nicht alle Hennen den Auslauf – rangniedere Tiere scheuen manchmal den Gang ins Freie oder finden draußen wenig Schutz. Verhaltensprobleme können auch hier auftreten. Eine aktuelle Studie zeigt sogar, dass in Systemen mit mehr Bewegungsfreiheit vermehrt gesundheitliche Schäden wie Brustbeinbrüche auftreten – vermutlich durch die Kombination aus fragilen Knochen (bedingt durch die extreme Legeleistung) und der erhöhten Bewegungsaktivität im Auslauf. Die Haltungsform allein garantiert also keine Gesundheit: Fast 85 % der Legehennen haben gebrochene Knochen (v.a. Brustbein) – unabhängig von Käfig, Boden oder Freiland​. Die Ursachen sind die Turbo-Zucht und Überlastung durch riesige Eier, die auf den Körper der kleinen Hennen drücken n-tv.de.

Bio-Haltung

Eier mit der 0 am Stempel stammen aus ökologischer Erzeugung. Bio-Hennen haben ebenfalls Freilandzugang (ebenfalls ca. 4 m² Auslauf pro Tier) und es gelten strengere Auflagen: Die Gruppengröße ist meist auf 3.000 Hennen pro Stall begrenzt, im Stall gibt es mehr Platz pro Tier (max. 6 Hennen/m²) und Sitzstangen, Einstreu und Beschäftigungsmöglichkeiten sind verpflichtend. Auch das Futter ist ökologisch. 2024 lag der Anteil der Bio-Eier in Deutschland bei 14,1 % destatis.de. Auch Bio-Hennen werden nach ca. 15–18 Monaten getötet, wenn ihre Legeleistung nachlässt. Das Grundproblem der Überzüchtung bleibt auch in der Biohaltung bestehen – auch hier legen Hennen weit über 200 Eier im Jahr. Auch Bio-Eier sind mit Töten und Leiden verbunden.

Fazit zu den Haltungsformen

Keine der genannten Haltungsarten ist wirklich artgerecht – alle bedeuten für die Hühner Enge, Stress und schließlich den frühen Tod​. Insbesondere die Käfighaltung/Kleingruppenhaltung ist extrem qualvoll, aber auch Boden- und Freilandhaltung weisen systembedingt schwere Tierschutzprobleme auf. Selbst unter Bio-Bedingungen leiden die Hennen unter den Folgen der Hochleistungszucht. Tierfreundlich ist keine dieser Formen, und alle dienen letztlich demselben Zweck: maximale Ausbeutung der Tiere zur Eierproduktion.

Stress großer Gruppen

Hühner sind zwar gesellige Tiere, bilden aber in der Natur kleine stabile Gruppen mit einer Rangordnung. Die Wurzeln des heutigen sogenannten Haushuhns mit all seinen Züchtungsformen liegen neben vermutlich drei anderen Wildhuhnarten beim Bankivahuhn (Gallus gallus). Dieses ist in Süd- und Südostasien beheimatet. Dort leben die Tiere in Herden von etwa 16 bis 40 Tieren zusammen. Innerhalb der Gruppen besteht die strenge Hierarchie der Hackordnung.

In Ställen mit tausenden Hennen können sie keine festen Strukturen entwickeln – das führt zu Unruhe und Aggression. Federpicken und Kannibalismus sind häufige Symptome dieser Überforderung​. Früher reagierte man fast überall mit dem schmerzhaften Kürzen der Schnäbel, anstatt die Haltungsbedingungen zu verbessern. Immerhin ist diese Praxis in Deutschland inzwischen beendet​ – doch die Grundursache (Stress durch Enge und Langeweile) besteht fort, und die Hennen leiden entweder an den Folgen aggressiver Artgenossen oder an abgedunkelten Ställen (denn in manchen Betrieben wird das Licht drastisch gedimmt, um Federpicken zu verringern – was die Hennen quasi in ständiger Dämmerung leben lässt​).

Legehennen sind Hochleistungs-Tiere

Bei der Zucht der Tiere hat der Mensch hauptsächlich auf ihm nützliche Merkmale wie Schönheit, Kampfeslust, guter Fleischansatz und hohe Legeleistung geachtet. Dabei hat die Domestizierung des Bankivahuhns bereits etwa 3000 vor Christus begonnen. Im Verlauf der Zeit hat der Mensch die Hühner in seine Nutzungskategorien aufgeteilt: Lege-, Fleisch- und Zwiehühner. Während die sogenannten Zwiehühner mit ausgeglichener Eier- und Fleischproduktion mehr und mehr abgelöst wurden, sind es heute Turbozüchtungen, die entweder sehr schnell Fleisch ansetzen oder aber eine extrem hohe Legeleistung aufweisen. Diese sogenannten Hybridhühner entstehen aus dem Selektieren und Kreuzen von Tieren verschiedener Reinzuchtrassen. Sie können – ähnlich wie F1-Hybriden beim Saatgut – nur von bestimmten Züchtern gekauft und nicht selbst gezüchtet werden, was das Problem der (Preis-)Abhängigkeit von wenigen, großen Zuchtbetrieben aufwirft. Das Streben zur größtmöglichen Produktivität wird bei der Legeleistung klar ersichtlich: Während das Bankivahuhn maximal 40 Eier pro Jahr legt, produzieren die heutigen Hybriden bis zu 300 Eier im Jahr! 

Die Legeleistung von über 300 Eiern pro Jahr geht mit körperlichem Verschleiß und Schmerzen einher​ destatis.de. Diese zuchtbedingten Qualen sind systemimmanent – sie treten in Käfig, Boden und Freiland gleichermaßen auf ​n-tv.de.

Das Schicksal der männlichen Küken: Kükentöten und „Bruderhähne“

Die Eierindustrie hat ein grausames Nebenprodukt: männliche Küken. Da männliche Tiere keine Eier legen, sind sie ökonomisch „wertlos“. Gleichzeitig setzen die männlichen Küken der Legerassen kaum Fleisch an und eignen sich nicht für die Mast​ – sie wachsen viel langsamer und bleiben kleiner als die spezialisierten Masthähnchen. Jahrzehntelang war es daher Routine, dass alle männlichen Küken direkt nach dem Schlüpfen getötet wurden. In Deutschland betraf dies jährlich etwa 40–45 Millionen Küken​, in der gesamten EU schätzungsweise über 300 Millionen pro Jahr​. Die Küken wurden unmittelbar nach dem Schlüpfen entweder vergast oder lebendig geschreddert. Diese Praxis ist ethisch höchst umstritten und wurde daher in einigen Ländern verboten.

In Deutschland trat zum 1. Januar 2022 ein Verbot des systematischen Kükentötens in Kraft​​ – als erstes Land der Welt. Auch Frankreich hat ab 2022 ein Verbot eingeführt (mit Übergangsfrist bis 2023)​. In Österreich, Luxemburg und einigen weiteren Ländern gibt es mittlerweile ebenfalls Verbote oder freiwillige Vereinbarungen​. Auf EU-Ebene drängen Deutschland und Frankreich auf ein EU-weites Verbot, das im Zuge der anstehenden Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetze kommen soll​ ​einzelhandel.de. Bis dahin können jedoch in vielen EU-Staaten männliche Eintagsküken weiterhin legal getötet werden.

Das deutsche Verbot des Kükentötens war ein wichtiger Schritt – doch hat es das Problem gelöst? Leider nur teilweise. Anstatt die Ursache anzugehen (die einseitige Zucht), setzt die Industrie nun auf zwei Alternativen, um das Töten der Küken zu umgehen:

1. In-Ovo-Geschlechtsbestimmung

Hier wird das Geschlecht bereits im Ei ermittelt. Technisch gibt es verschiedene Verfahren – etwa wird am 9. Bruttag etwas Flüssigkeit aus dem Ei entnommen und per Schnelltest auf männliche Chromosomen untersucht​ respeggt.com  innovateanimalag.org. Wenn das Ei ein männliches Küken ergeben würde, wird der Brutprozess abgebrochen – der Embryo im Ei wird also getötet, bevor er schlüpft​. Diese Methode wird z.B. unter dem Label „Respeggt“ angewandt („Eier ohne Kükentöten“). Sie verhindert zwar das Schlüpfen und unmittelbare Töten der Küken, aber sie wirft ethische Fragen auf: Auch der Embryo ist ein fühlendes Lebewesen, spätestens ab dem 7. Bruttag entwickelt er ein Schmerzempfinden. Die ursprünglich geplante gesetzliche Vorgabe in Deutschland war daher, ab 2024 nur Verfahren zuzulassen, die das Geschlecht vor Tag 7 bestimmen​. Allerdings wurde diese Vorgabe nach neuen wissenschaftlichen Einschätzungen gelockert: Man geht nun davon aus, dass das Schmerzempfinden erst ab Tag 13 einsetzt. Deshalb hat der Gesetzgeber 2023 entschieden, dass Geschlechtsbestimmungen und Brutabbrüche bis zum 12. Bruttag zulässig bleiben​ topagrar.com. Das heißt, es dürfen nun Embryonen bis kurz vor dem Schlüpfen abgetötet werden. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg bezeichnet das als Etikettenschwindel, da weiterhin millionenfach Küken sterben – nur eben unsichtbar im Ei. In-Ovo-Selektion ist eine technische Lösung, die zwar das Töten frisch geschlüpfter Küken reduziert, aber das Grundproblem nicht löst​.

2. Bruderhahn-Aufzucht

Hier werden die männlichen Küken zwar nicht direkt getötet, aber unter erheblichen Opfern großgezogen. Jede Legehenne hat statistisch einen „Bruderhahn“, der in dieser Variante mit aufgezogen wird. Damit dies wirtschaftlich tragbar ist, wird der Mehraufwand über einen höheren Eierpreis querfinanziert – daher sind Eier “ohne Kükentöten” oft teurer. Grundsätzlich ist es natürlich positiv, wenn ein Tier nicht direkt nach der Geburt getötet wird. Doch auch die Bruderhahn-Aufzucht ist problematisch: Da die Hähne der Legelinien sehr langsam wachsen, ist ihre Aufzucht teuer. Viele Bruderhahn-Projekte können es sich nicht leisten, die Tiere wirklich artgerecht bis zum Endgewicht zu mästen. Oft werden die Hähne schon nach 2–3 Monaten geschlachtet – also lange bevor ein normales Masthähnchen ausgewachsen wäre​. Ihr Fleisch ist mager und wird häufig als Suppenhuhn oder Tierfutter verwertet. Zudem geschieht die Aufzucht nicht immer unter guten Bedingungen: Bruderhähne werden oft in großen, schlecht ausgestatteten Ställen gehalten  – die Hennen leben vielleicht unter Bio-Standard, die Hähne aber nur unter Minimalbedingungen​. Häufig werden männliche Küken auch einfach ins Ausland verkauft – Berichte zeigen, dass deutsche Brütereien männliche Küken nach Osteuropa exportieren, wo sie dann doch getötet oder unter schlimmen Umständen gemästet werden. So umgeht man das hiesige Verbot. Verbraucher könnten leicht glauben, ein Ei „aus Deutschland“ sei automatisch ohne Kükentöten entstanden – doch die Junghennen können aus einer ausländischen Brüterei stammen, in der die Brüderküken getötet wurden. Ohne EU-weite Regelung bleibt hier eine Lücke, die einige nutzen.

Förderung betreuter Taubenschläge nach dem ,,Augsburger Modell" in Baden-Württemberg

Unsere Städte in Baden-Württemberg sind überfüllt mit hunderttausenden von Stadttauben, Teile der Bevölkerung fühlen sich belästigt, aber die betroffenen Kommunen und Vereine haben nicht die nötigen Mittel und ein nachhaltiges und erfolgreiches Taubenmanagement mit betreuten Tabenschlägen nach dem Augsburger Modell zu praktizieren. Mit Hilfe einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg könnte dieses große Problem gelöst werden. 

In regelmäßigen Abständen erreichen unseren Verein Bitten von Bürger*innen, sie bei der Umsetzung eines tierschutz-adäquaten Stadttaubenmanagements zu unterstützen. Einerseits sehen viele Gemeinden die Stadttaubensituation als Störfaktor, andererseits gibt es wenig Bereitschaft, da die Mittel fehlen, sich der Situation angemessen anzunehmen.

Dabei ist die einzige wirksame und tierschutzgerechte sowie auch tierschutzrechtlich akzeptable Methode, um Taubenpopulationen auf Dauer zu verkleinern bzw. auf einer überschaubaren Zahl zu halten die Einrichtung betreuter Taubenschläge nach dem Augsburger Modell an geeigneten Plätzen, an denen die Tiere mit artgerechtem Futter sowie Wasser versorgt und an den Ort gebunden werden (1). Dadurch nimmt die Präsenz der Futterschwärme in der Stadt ab. In den Taubenschlägen können unkompliziert die Eier gegen Gipsatrappen getauscht werden und es kann somit die Taubenpopulationkontrolliert werden indem sie zunächst verringert und dann auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. 

Die bevorzugte Nahrung von (Stadt-)Tauben besteht hauptsächlich aus Körnern und Samen, die in den Städten kaum vorhanden sind. Stadttauben können Ähren nicht entspelzen, was verhindert, dass sie – wie landläufig fälschlicher Weise angenommen wird – zum “Feldern” ins Umland fliegen und wie Wildvögel auf Wiesen und auf Feldern Nahrung aufnehmen können. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen. Sie sind darauf angewiesen, sämtliche Abfälle der Menschen zu essen, die sie auffinden können. Dies führt auch zu einem vermehrten Absatz des flüssigen Hungerkots, in dessen Folge es zu einer vermehrten Verschmutzung der Innenstädte kommt, von der sich Teile der Bevölkerung belästigt fühlen. Werden die Tiere artgerecht gefüttert, kann diesbezüglich eine Verbesserung erreicht werden. Zudem fördern hohe Populationsdichten von Stadttauben das Auftreten von Taubenspezifischen Infektionskrankheiten– die zwar für den Menschen kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen, die Tiere jedoch schwächen und zu erheblichen Leiden bis hin zum Verenden führen können.

In vielen Kommunen existieren ordnungsrechtliche Fütterungsverbote, die nur bei vorhandenem Stadttaubenmanagement rechtskonform sind.

In betreuten Taubenschlägen bekommen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, zudem können sie dort Paare bilden und brüten. Ihre Eier werden gegen Attrappen aus Gips ausgetauscht, sodass die Tiere weiter an ihr Nest gebunden bleiben, aber keine Küken aufziehen werden.

Einem Gutachten (Arleth C., Hübel J.: Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.) zufolge handelt es sich bei Stadttaubenum Fundtiere (2). Die heutigen Stadttauben sind die Nachfahren von einst ausgesetzten Haustieren. Diese Tiere sind nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da der Mensch sie im Laufe der Domestizierung über Jahrtausende in seine Abhängigkeit züchtete. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung dieser dauerhaften menschengemachten tierschutzrechtlichen Herausforderung.

Trotzdem sind es meistens Privatpersonen, die die Kosten für die Anschaffung eines Taubenschlages (bspw. ein Bauwagen, Container o.ä.) und das Futter tragen. 

Beispielsweise stellt die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Frau Dr. Kathrin Hermann, zu diesem Zweck Gelder aus dem Berliner Haushalt zur Verfügung. Dieses kann von den Bezirken für den Bau von Pilot-Taubenschlägen abgerufen werden. Um die Mittel zielgerichtet einsetzen zu können, sollten folgende drei Anforderungen erfüllt sein:

1. EIn geeigneter Standort; 

2. die Sicherstellung der Betreuung des Taubenschlages; 

3. ein(e) Ansprechpartner*in innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Die Errichtung betreuter Taubenschlägen an geeigneten Standorten nach dem Augsburger Modell, in denen Tauben artgerechtes Futter angeboten und Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, ist die einzig tierschutzgerechte und zu gleich die erfolgversprechendste und nachhaltigste Möglichkeit, die Stadttaubenpopulation deutlich zu verringern,  Tierleid zu vermeiden und die Kosten der Städte im Hinblick auf Reinigungs- und Vergrämungsmaßnahmen deutlich zu senken. Auch werden die Bürger*innen stark entlastet – die Bürgerbeschwerden entfallen. Der Bau von betreuten Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell wird auch vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen beschrieben: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019 (4), und wurde auch in den – mittlerweile veralteten – Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten, herausgegeben vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Jahr 2005, beschrieben.

 

Kosten für 1 Taubenschlag ca. 500 Tauben
Bau Taubenschlag inclusive Innenausstattung ca. 25.000,- €

Betreuungs- und Versorgungskosten jährlich ca. 15.000,- €

Bisher sind keine Fördermittel für gemeinnützige Taubenvereine und Kommunen im Haushalt des Landes vorgesehen. 

Zukünftig sollten, wie seit 2022 auch im Land Niedersachsen, Haushaltsmittel für die Errichtung und die Unterhaltung betreuter Taubenschläge bereitgestellt werden, die eingetragene Tierschutzorganisationen und Gemeinden in Baden-Württemberg unterstützen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, bitten Sie als zuständigen Minsister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher um Förderung dieser wichtigen Maßnahme zur Eindämmung der Taubenpopulationen in den Kommunen. 

Wir ersuchen dabei um die Förderung des Baus von betreuten Taubenschlägen nach dem Ausburger Modell, der Einrichtung von betreuten Futterplätzen für die noch nicht an einen Schlag gebundenen “noch-obdachlosen” Tauben oder für Areale, in denen ein Bedarf herrscht, jedoch Taubenschläge aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht einrichtbar sind, sowie die Übernahme der laufenden Kosten für die Betreibung, einschließlich der Pflege, ggf. tiermedizinischen Versorgung und des artgerechten Futters in den Taubenschlägen ebenso wie an den betreuten Futterplätzen.

Zudem fordern wir eine Verpflichtung aller Kommunen mit höherer Stadttaubendichte zur Errichtung von Taubenschlägen – bedarfsweise in Verbindung mit betreuten Futterplätzen – zur Populationskontrolle und Fütterung der Tiere, um das Leid der Tiere zu vermindern, öffentliche Kosten zu senken, Bürgerbeschwerden abzuwenden, und letztlich damit eine großflächige Populationskontrolle in Baden-Württemberg zu erreichen.

Diese Maßnahmen der Bestandskontrolle, artgerechten Fütterung sowie Unterbringung der Tauben gem. dem Augsburger Modell würden dazu beitragen, den “ethischen Tierschutz” in Baden-Württemberg zu verwirklichen. Dieser erlangte bereits vor über 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates und des Bundetags Verfassungsrang durch die Implementierung des “Staatsziels Tierschutz” in Artikel 20a Grundgesetz im Jahre 2002. Gemäß amtlicher Begründung des Bundestags trägt dies „dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung“ (5). „Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“ Die Staatszielbestimmung ruft insbesondere die Legislative und Exekutive dazu auf, die Belange und den Schutz der Tiere zu verwirklichen. Es geht beim Staatsziel Tierschutz um nicht weniger, als den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden, Zerstörung ihrer Lebensräume und ihrer Achtung als unsere Mitgeschöpfe.

Ein auch für andere Bundesländer wegweisender Umgang mit den Stadttauben entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (einschlägig sind hier die Paragraphen 1, 2 und 17), sowie des ethischen Tierschutzes in Umsetzung der Staatszielbestimmung wäre zeitgemäß und Baden-Württemberg soll hier eine Vorreiterrolle einehmen und vorbildhaft für andere Bundesländer den ethischen Tierschutz verwirklichen.

 

Anhang

Definition Stadttauben

Sog. Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind Nachkommen von Haustauben wie Brief-, Hochzeits- oder sonstige Zuchttauben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Taubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen haben. 
Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten (als Fleisch-, Eier- und Düngerlieferanten oder als sog. Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten), als sie dann nicht mehr gebraucht wurden, wurden viele Taubenschläge geschlossen. Es handelt sich bei den Stadttauben somit nicht um Wildtiere, sondern um obdachlose Haustiere. Sie wurden über Jahrtausende vom Menschen domestiziert. Diese Domestikation ist nicht mehr umkehrbar(vgl. Rechtsgutachten von Dr. jur. Christian Arleth/Dr. med. vet. Jens Hübel, (2))

Augsburger Modell

99 % der Städte mit Taubenmanagement in Deutschland entscheiden sich für das nachgewiesen erfolgreiche Augsburger Modell. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Zählung derausgetauschten Eier in einem Schlag, dem Sinken der Reinigungskosten auf privatem und öffentlichem Gelände und dem Ausbleiben von Beschwerden der Bürger und Gewerbetreibenden (Einzelhandel, Bäckereien, Gastronomen). Dies ist mit Abstand die erfolgreichste, effektivste, nachhaltigste, tierschutzkonformste und kostengünstigste Lösung für die Kommunen. 

Die Umsetzung des Konzepts basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen und praktischen Erfahrungen von vielen verschiedenen Kommunen und wird als alleiniges Konzept vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg empfohlen. 

Ziel des Augsburger Models ist die Reduktion der Population durch Eiaustausch. Sobald die Tauben – nach einer Phase des schrittweisen „Hineinlotsens“ der Tiere in den Taubenschlag – im Schlag angesiedelt sind, verbringen sie 80 % des Tages im Schlag und setzen somit den Hauptteil des Kotes im Schlag ab, der einfach und hygienisch entfernt werden kann. Die Tauben müssen nicht zur Nahrungssuche auf die Straßen und in die Fußgängerzonen. Die Fußgänger und die Gastronomie werden nicht mehr belästigt und die Reinigung der umliegenden Häuser und Straßen von Taubenkot entfällt.

Vorteile Taubenschlag, nach dem Augsburger Modell:

  • Durch den Eiertausch im Schlag wird eine Vermehrung der Tauben verhindert, die Population nimmt ab;
  • Tauben befinden sich 80 % des Tages im Schlag. Der Kot bleibt im Schlag und kann mühelos entfernt werden;
  • Tauben sitzen nur noch selten und vereinzelt auf den Dächern und Balkonen, sie sind auf öffentlichen Flächen, Märkten und den Außenflächen der Gastronomiebetriebe nicht mehr Nahrungs-suchend anzutreffen.
  • Das Leid der Tiere wird vermindert und deren Gesundheit und Wohlbefinden verbessert. (Vgl. dazu den Grundsatz des Tierschutzgesetzes in § 1 Satz 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. […]”)

 

Quellen

(1) Weyrather, A. (2021, Hrsg. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.: Grundlagen für ein effizientes, tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement in deutschen (Groß)Städten. Eine Handreichung für die Praxis; https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-HB-Stadttaubenmanagement_web.pdf

(2) Arleth C., Hübel J. (2021): Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Hrsg.: Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung ,Hier kostenlos herunterladen.

(3) Landestierschutzbeauftragte Berlin: Bau von Pilot-Taubenschlägen in Berliner Bezirken, https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1290446.php

(4) Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen: Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Überarbeitete Fassung von 2019. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen_downloads/tiergesundheit-tierschutz-5295.html

 (5) Bundestags-Drucksache14/8860 vom 23.04.2002 https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408860.pdf

 

Für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Petition bedanken wir uns bei:

Dr. Norbert Alzmann, Biologe und Bioethiker

Antje Konz, Inhaberin der Firma VitaGood

Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg