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Artenschutztag im Zoo Karlsruhe

Artenschutztag im Karlsruher Zoo – Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg sendet Brief an Zoodirektor, denn Zoos leisten keinen nennenswerten Beitrag zum Artenschutz

 

Sehr geehrter Herr Dr. Reinschmidt ,

ich schreibe Ihnen im Namen von Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V., einem gemeinnützigen Verein, der sich bereits seit 1983 erfolgreich für die Rechte der Tiere einsetzt. Aus der Presse haben wir vom Tag des Artenschutzes im Karlsruher Zoo erfahren. Wir haben uns die Artenschutzprojekte des Zoos Karlsruhe angesehen und kennen auch Ihren internationalen Einsatz für die Tiere.

Diese Tier- und Artenschutzarbeit finden wir sehr löblich, sie hat aber im Grunde nichts mit der Gefangenschaft der Tiere im Zoo Karlsruhe zutun. Noch verwunderter waren wir, dass Sie sich erst im November letzten Jahres im Ausschuss der öffentlichen Einrichtungen und gegen die Bedenken der Grünen so aktiv für den Erhalt der Eisbärenhaltung im Zoo eingesetzt haben. Als erfahrenem Biologen ist Ihnen sicher bewusst, welche Ansprüche Eisbären an ihren Lebensraum haben und dass ein Zoo diesem niemals gerecht werden kann. Die Argumentation, dass Eisbärenhaltung artgerecht sei, weil diese vom Aussterben bedroht sind, hat mit der eigentlichen Artgerechtigkeit der Haltungsform nichts zutun.

Eisbären sind Einzelgänger und legen in der Natur Strecken von bis zu 30 Kilometer am Tag zurück. Ihre Streifgebiete können dabei hundert bis mehrere tausend Quadratkilometer umfassen; damit entspricht die durchschnittliche Gehegegröße in einem Zoo einem Millionstel des Reviers von Eisbären in der Natur. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass das artgerecht ist. Der Artenschutz, den Zoos aktiv einbringen, ist sehr minimalistisch und wird vollkommen überzogen an die Öffentlichkeit kommuniziert. Zoos konservieren Tiere wie Objekte, sind aber keine geeigneten Einrichtungen, um effektiven Artenschutz zu betreiben.

Selbst ein ganzes Leben im humansten Zoo wird die Tiere zu sehr durch die Jahre eines ,,geschützten" Daseins beeinflusst haben. In Gefangenschaft gehaltene Tiere lernen selten entscheidende Überlebensfähigkeiten und sind oft zu sehr an menschlichen Kontakt gewöhnt. Da sie keine natürliche Angst vor Menschen haben, sind sie anfällig für Wilderer und schlecht gerüstet für das Leben in freier Wildbahn.

Darüber hinaus waren Wiederansiedlungsbemühungen im Allgemeinen sehr erfolglos. Weniger als 20 Arten (von den 120 wieder eingeführten) sind in freier Wildbahn autark geworden. 1990 legte die Internationale Union für Naturschutz Aktionspläne zum Überleben von 1370 seltenen oder gefährdeten Arten an. Die Wiederansiedlung von in Gefangenschaft gezüchteten Tieren konnte zur Erhaltung mit nur 1,4 % (19) dieser 1.370 Arten beitragen. Die Aufzucht von Wildtieren, um sie anschließend auszuwildern, wird am besten und erfolgreichsten in Zentren, die speziell für diesen Zweck entworfen wurden und sich im natürlichen Lebensraum einer Art befinden, durchgeführt.

Zoos und Aquarien halten eine sehr begrenzte Anzahl einzelner Mitglieder einer Art und Populationsprobleme treten in kleinen Gruppen schnell auf. Damit eine Art auf veränderte Umwelteinflüsse und andere neu auftretende Umstände reagieren kann, braucht es genetische Vielfalt. Diese Vielfalt, die für das langfristige Überleben der Arten notwendig ist, ist in den relativ kleinen Populationen von Zoos im Vergleich zu denen in freier Wildbahn nicht erreichbar.

Wir möchten Sie bitten, ehrlicher über den Artenschutz zu kommunizieren, den Zoos betreiben. Zum Großteil sind Zoos Wirtschaftsunternehmen; die Tiere sind Einnahmequellen und die überwiegende Mehrheit von ihnen lebt nicht in Gefangenschaft, weil man sie oder ihre Nachfahren jemals auswildern könnte. Zoos erhalten zudem häufig staatliche Unterstützung, sprich Steuergelder. Die Entscheidung, Zoos finanziell zu unterstützen, reduziert die verfügbaren Mittel für die weitaus wichtigere Notwendigkeit, die natürliche Umgebung zu schützen, aus der diese Tiere stammen.

Als Artenschützer und Biologe möchten wir Sie bitten, Ihre Energien und Bekanntheit für echten Artenschutz im natürlichen Lebensraum der Tiere zu nutzen. Zoos versuchen, Tieren und Besuchern ein naturnahes Erlebnis zu bieten, bieten dabei aber eine stark vereinfachte Sichtweise und präsentieren Tiere, die in minimalen Umgebungen leben.

Platzbeschränkungen und ein Mangel an nützlichen Aktivitäten sind nur zwei dieser Einschränkungen. Die Tiere können sich nicht frei bewegen und können keine eigenen Entscheidungen über Nahrung, Unterkunft, Klima, soziale Kontakte, Migration und Fortpflanzung treffen. Tiere, denen nützliche Gene für die zukünftige Zucht fehlen, werden regelmäßig von Zoos getötet. Dies wird von Menschen durchgeführt, die behaupten, sie zu schützen. Anstatt Arten wie Menschenaffen, Eisbären und Elefanten einzuschränken und Millionen (einschließlich Steuergeldern) für den Bau schöner Gehege für sie auszugeben, wäre dieses Geld besser dafür ausgegeben, ihre echten Lebensräume zu retten. Kindern sollte Mitgefühl, Respekt für Tiere und Verständnis für ihre natürlichen Bedürfnisse sowie Lebensweise beigebracht werden. Zoos demonstrieren menschliche Macht, indem sie Kontrolle über andere Lebewesen ausüben - der minimale Beitrag zum Artenschutz rechtfertigt nicht die lebenslange Gefangenschaft eines fühlenden Lebewesens.

Mit freundlichen Grüßen

Julia Thielert

M.Sc. Animal Welfare Science

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.

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