Tierversuche im Biologie-Studium: ein Vergleich der Pädagogischen Hochschulen (PH’S) und Universitäten in Baden-Württemberg
Stand: April 2015
In Baden-Württemberg gibt es 6 Pädagogische Hochschulen (Freiburg, Ludwigsburg, Weingarten, Karlsruhe, Heidelberg und Schwäbisch-Gmünd) und 8 Universitäten und Institute (Universität Konstanz, Hohenheim, Ulm, Tübingen, Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und das KIT Karlsruhe), an denen man Biologie studieren kann. Wir haben sie Anfang 2015 angeschrieben und gefragt:
- Welche Tiere muss ein Student im Laufe seines Studiums sezieren?
- Um wie viele Tiere handelt es sich?
- Gibt es auch alternative Ausbildungsmethoden?
© Denise Steiger / pixelio.de
Anbei eine Zusammenfassung der Antworten. Die gute Nachricht in blau.
A. Pädagogische Hochschulen
PH Freiburg: Teilnahme an Tierpräparationen ist keine Pflicht. Ein tierfreies Studium ist möglich.
Hier kann (muss aber nicht) ein Student im Laufe seines Biologiestudiums „Schweineauge, Schweineherz (beide Schlachthof), Fische" sezieren. Die gute Nachricht: „Keiner wird gezwungen - die Seminare können auch ohne aktive Beteiligung am Sezieren bestanden werden. Studierende können den Raum verlassen und bearbeiten das Thema mit Hilfe von Literatur, Abbildungen und Modellen."
Es gibt „zu Hauf" tierfreie Ausbildungsmethoden. Welche genau, erfuhren wir aber trotz Nachfrage nicht.
PH Ludwigsburg: Präparation von Tierorganen vom Metzger ist Pflicht
„Für Studenten der Sekundarstufe ist die Teilnahme am humanbiologischen und physiologischen Praktikum Pflicht. Hier werden Organe von Tieren vom Schlachthof in Dreiergruppen seziert (Schweineherz- und Augen, Hühnerbeine, Lunge, Gehirn, Rückenmark wird angeschaut). Die angehenden Grundschullehrer müssen Schweineherz- und Augen, sowie Hühnerbeine sezieren. Die Teilnahme am Zoologischen Tierpräparationskurs ist jedoch keine Pflicht. Hier werden zuvor getötete Regenwürmer, Krebse, Miesmuscheln, Fische, Mäuse und Küken seziert. Die Tiere werden anschließend an die Schlangen verfüttert (überwiegend Fundtiere, gehalten für ethologische Studien) oder teils selbst verzehrt (Fische). Ethologische Studien (Verhaltensstudien) gibt es auch an lebend gehaltenen Insekten und Eintagsküken aus Zuchtstationen, die geschreddert werden würden. Die Küken können hinterher von den Studenten mitgenommen und so gerettet werden, was auch umgesetzt wird. Ethologische Studien gibt es auch bei Tierbeobachtungen bei Freilandexkursionen. Alternativ wird auch mit Organmodellen gearbeitet und mit in Kunstharz eingebetteten Tierpräparaten."
PH Weingarten: Hier wird der Einsatz von Videos getestet, so dass je nach Ergebnis Tierpräparation künftig überflüssig sein werden.
„Der Einsatz von Tieren zu Ausbildungszwecken ist über die letzten Jahre sehr stark zurückgefahren worden. Derzeit werden nur noch zwei Tiere in zoologischen Kursen präpariert, nämlich Tauwurm und Forelle/Saibling. 4 Studenten arbeiten an einem Tier, so dass pro Jahr 24 Regenwürmer und 36 Forellen verbraucht werden.
In humanbiologischen Praktika werden darüber hinaus Schlachtabfälle genutzt (Schweineaugen, -lungen, -blut, -herzen, -mägen, -nieren), die wir vom benachbarten Schlachthof beziehen und die nicht gesondert für uns aufbereitet werden.
Derzeit führen wir eine Studie durch, in der wir den kognitiven und affektiven Gewinn aus Tierpräparationen mit jenem vergleichen, bei denen sich die Studierenden die entsprechenden Inhalte per Video erarbeiten. Wir entwickeln und testen den Einsatz von Videos, die auf unsere Ausbildungsbedürfnisse zugeschnitten sind. In Abhängigkeit vom Ergebnis werden wir auf Präparationen zukünftig verzichten können."
© Charlie Bär / pixelio.de
PH Karlsruhe
„Im Laufe des Bio-Studiums werden seziert: a) Regenwurm (aus Anglerbedarf, 2 Studierende einen Wurm)
b) Schabe (2 Studierende ein Tier)
c) Flusskrebs (aus Feinkosthandel; 4 Studierende ein Tier)
d) Miesmuschel (aus Feinkosthandel)
e) Forelle (aus Feinkosthandel; 4 Studierende pro Fisch)
f) Ratte (6-8 Studierende pro Tier)
Die sezierten Flusskrebse, die Forellen und die Ratten werden an den Zoo Karlsruhe abgegeben.
„Frösche haben wir nie seziert, Huhn haben wir vor drei Jahren abgeschafft.
Tierversuche führen wir im Studium nicht durch. Alternativmethoden gibt es, insbesondere beim Frosch haben wir ein Computerprogramm. Wir legen sehr großen Wert darauf, dass die Studierenden Ehrfurcht vor der Kreatur haben bzw. entwickeln."
PH Heidelberg
„Im Lehramtsstudium werden seziert: eine Forelle (gekauft am Stift Neunburg Ziegelhausen) ein Schweineherz (Fleischversorgungszentrum Mannheim oder Fleischerladen) eine Schweineniere (s.o. FVZ) ein Schweineauge FVZ gelegentlich ein Kniegelenk (Spende eines Jagdpächters), Totfunde."
PH Schwäbisch-Gmünd hat leider nie geantwortet.
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B. Universitäten und Institute
Von den acht angeschriebenen Universitäten mit Studiengang Biologie haben uns nur drei Auskunft gegeben: Konstanz, Freiburg und KIT Karlsruhe. Die Universitäten in Ulm, Heidelberg, Tübingen, Hohenheim haben unsere mehrfachen Anfragen ignoriert und die Universität Stuttgart (Fachbereich Technische Biologie) antwortete, dass sie uns keine Auskunft geben möchte, aber die Studenten können gerne sich gerne direkt bei der Universität erkundigen.
Konstanz: Mikroskopische Präparate und konservierte Tierkörper
„Im Fachbereich Biologie der Universität Konstanz sind wir der Überzeugung, dass ein Mindestmaß an Auseinandersetzung mit dem Aufbau und der Gewebeorganisation von Pflanzen und Tieren für die Ausbildung von Biologen unabdingbar ist. Deshalb sind im Studiengang "Biological Sciences" und im Lehramtsstudium "Biologie" Pflichtveranstaltungen vorgesehen, in denen mikroskopische Präparate und konservierte Tierkörper (sowohl Invertebraten als auch Vertebraten) eingesetzt werden."
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Nicht nur - aber auch: Selbstversuche der Studenten und Computersimulationen.
„Am KIT werden im Rahmen des Bachelor-Studiums keine Tierversuche durch die Studenten der Biologie vorausgesetzt. Im Zuge der zoologischen Übungen werden jedoch verschiedene Organismen des Tierreichs in Form von Dauer- und Lebendpräparaten betrachtet (Mikroskopie-Übungen mit Pantoffeltierchen) und einige wenige Tierarten (Ratte und Fisch), welche sich adspektorisch nicht erschließen lassen, werden seziert. Dazu werden ausschließlich Tiere herangezogen, welche auf Grund anderer Voraussetzungen oder anderer Nutzung durch sachkundiges Fachpersonal getötet werden. Es werden keine Tiere ausschließlich für die Nutzung als Studienobjekt der Übung getötet. Es gibt im Studium der Tierphysiologie eine Situation, in der die Studenten das natürliche Verhalten eines Wirbeltiers beobachten können, ohne jedoch das Tier in seinem Verhalten zu beeinflussen. Es erfolgt keinerlei Manipulation am Tier. Diese Beobachtung ist jedoch für das Bestehen des Moduls nicht nötig.
Darüber hinaus wurden alle weiteren Tierversuche im Rahmen dieses Praktikums bereits vor vielen Jahren abgeschafft bzw. durch Alternativmethoden wie Computersimulationen und Untersuchungen der Studenten an sich selbst ersetzt, wodurch teilweise auch bessere Lernerfolge zu erzielen sind. Auch greifen wir auf humane Proben zurück, welche für andere Zwecke nicht mehr verwendet werden können. Außerdem wurde vermehrt auf eine molekularbiologische Ausbildung Wert gelegt, wodurch viele „typische" Tierphysiologie-Versuche aus dem Lehrplan genommen und durch moderne Methoden ersetzt wurden. Im Rahmen des Master-Studiums ist es den Studenten möglich, durch eine entsprechende Fächerwahl ohne Kontakt mit Tierversuchen Biologie zu studieren (...)
Zusammenfassend können wir sagen, dass ein tierversuchsfreies Studium der Biologie am KIT angeboten wird, tierische Materialien sich aber nicht aus der biologischen Ausbildung ausschließen lassen. Darüber hinaus gibt es am KIT Bemühungen, Alternativen für Tierversuche zu entwickeln und dann auch in der Lehre zu etablieren, zunächst meist im Bereich des Master-Studiums oder in der Doktoranden-Ausbildung. So wurde am KIT ein 3D-Modell der Prostata entwickelt, welches für onkologische Grundlagenforschung eingesetzt wird. Dieses Projekt wurde vom Land Baden-Württemberg als Alternative zu Tierversuchen gefördert. Die Etablierung eines Herzmodells aus embryonalen Stammzellen ersetzt die Tötung von Versuchstieren zur Untersuchung der Herzentwicklung. Die Etablierung von spezifischen Transwell-Assays wurde genutzt, um Tumormetastasierung in vitro zu untersuchen und hilft so ebenfalls, Versuchstiere zu reduzieren."
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Hier kann man Biologie studieren ohne den Einsatz von Tieren, die unter das Tierschutzgesetz fallen. Das sind leider nur Wirbeltiere.
„In den B.Sc. und M.Sc. Biologie-Studiengängen haben Studierende die Möglichkeit, aus religiösen, ethischen oder anderen Gründen nicht an den Abschnitten einzelner Lehrveranstaltungen teilzunehmen, bei denen Tiere eingesetzt werden. Ferner haben M.Sc.-Studierende die Möglichkeit, im Rahmen des M.Sc. Biologie Studienschwerpunkte zu wählen, in denen aus inhaltlichen Gründen keine Tiere seziert werden. Es ist also durchaus möglich, im Rahmen der Wahlmöglichkeiten in Freiburg Biologie zu studieren ohne Einsatz von Tieren, die unter das Tierschutzgesetz (TierSchG in der Fassung vom 28.7.2014) fallen.
Andere Studiengänge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg:
„An der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg werden in einigen lebenswissenschaftlichen Studiengängen Tiere eingesetzt, um Lerninhalte zu vermitteln.
© Mandy Eger / pixelio.de
Was Sie tun können:
Nehmen Sie direkt Kontakt mit den Hochschulen auf und erkundigen Sie sich nach Möglichkeiten für ein wissenschaftliches Studium ohne Tierversuche. Fragen Sie nach Alternativmethoden.
Einen bundesweiten Vergleich finden Sie hier im Ethik-Ranking der Hochschulen unseres Bundesverbands.