Das neue Bild vom Tier - die Erkenntnisse der kognitiven Ethologie
Tierethik, Tierrechte
Wir unterstützen die folgende Forderung, welche in einem offenen Brief an das Bundesministerium für Forschung und Bildung gesendet wurde.
Das neue Bild vom Tier - die Erkenntnisse der kognitiven Ethologie
Aachen, Februar 2021
Sehr geehrte Frau Karliczek,
wir leben in einer Wissensgesellschaft. Deshalb sollte für die Allgemeinheit bedeutsames gesichertes Wissen auch an Schulen und Hochschulen gelehrt werden. Die Erkenntnisse der kognitiven Ethologie (kognitiven Biologie) müssen deshalb Aufnahme in die Lehrbücher finden.
Eine Vielzahl von Tierarten bewohnt mit uns gemeinsam diesen Planeten. Wir kennen zwar ihre Anatomie und Physiologie und zum Teil auch ihre lebenserhaltenden Bedürfnisse, doch ihre Gedanken- und Gefühlswelten schienen uns unbekannt, unerforschlich oder wurden negiert.
Seit nunmehr über 30 Jahren häufen sich die international anerkannten Erkenntnisse aus Neurologie (Hirnforschung), Genetik und kognitiver Ethologie, die besagen, dass die höheren Tiere, insbesondere Wirbeltiere, über teils hoch entwickelte soziale, emotionale und intellektuelle Fähigkeiten verfügen. Viele wesentliche Fähigkeiten und Eigenschaften bewegen sich sowohl qualitativ wie quantitativ durchaus auf einem Niveau, das unserem entspricht. Auch wird ihr Verhalten wie unseres weitestgehend von Fühlen und Denken gesteuert. „Sofern die Fähigkeiten und Leistungen eines einzelnen Individuums betrachtet werden, fällt es schwer, einen Unterschied zwischen Menschen und anderen kognitiv hoch entwickelten Tieren zu finden.“ (Brensing 2019)
Im Juli 2012 veröffentlichten 25 weltweit führende Neurologen in der „Cambridge Conference of Consciousness“ ihre Erkenntnisse, die einhellig besagten, dass das Bewusstsein anderer Säugetiere und verschiedener Vögel weitestgehend unserem entspricht.
Aus all diesen Erkenntnissen heraus ergibt sich für uns als moralisch handelnde Wesen die Pflicht, die Interessen und Bedürfnisse der Tiere in einem entscheidenden Maß neu einzustufen und entsprechend zu berücksichtigen. Insbesondere die nachfolgenden Generationen an Verantwortungsträgern in Schulen und Hochschulen haben einen Anspruch auf dieses Wissen, um künftig angemessene und gerechte Entscheidungen treffen zu können. Zu diesem Zweck sollte das neue Wissen Eingang in die Lehrbücher der Biologie finden.
Gleichzeitig ließe die fortgesetzte Unterdrückung all dieser Erkenntnisse eine gewisse Willkür menschlicher Entscheidungsträger aus bestimmten Eigeninteressen an den Tieren vermuten.
Hierzu ein paar Gedanken von Gert Scobel:
„Wir leben auf diesem Planeten in einer Gemeinschaft mit Tieren. Die Regeln des Zusammenlebens wurden von uns durch pure Willkür festgelegt. Ein derartiges Verhalten aber passt nicht zu einem Wesen, das sich selbst als moralisch handelnd und vernünftig betrachtet. Inzwischen wird die Sonderstellung des Menschen im Tierreich immer vehementer in Frage gestellt, denn Genetik und Neurowissenschaften haben längst gezeigt, dass der Mensch den Tieren ähnlicher ist, als der immer glaubte. Darf der Mensch die Tiere dann weiterhin zum Objekt machen? (...)“
Mit freundlichen Grüßen Die Unterzeichnenden
Christiane Deser
Christiane Kirst
Birgitt und Jürgen Kruse
Anita und Rudolf Legde
Barbara Müller
Heidi Hierl-Schulze
Helmut Wolff
Quellenangaben:
Brensing, Karsten, Das Mysterium der Tiere: Was sie denken, was sie fühlen. Berlin 2017; Brensing, Karsten,
Die Sprache der Tiere: Wie wir einander besser verstehen, Berlin 2018.
Diehl, Elke/Tuider, Jens (Hrsg.) Haben Tiere Rechte? Bpb, Band 10450, 412 S., Bonn 2019.
Francis Crick Memorial Conference, „Consciousness in Human and Non-Human Animals“, Cambridge 2012.
Roth, Gerhard, Wie einzigartig ist der Mensch? Heidelberg 2010.
Scobel, Gert in „scobel“ Wissen, 3sat TV, September 2013
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