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Pressemitteilung vom 15.07.2020

2020-07-15 11:54

EU-Tierschutzvorschriften auf dem Prüfstand - Käfighaltung muss abgeschaftt werden

Die EU-Vorschriften zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung blieben bisher auf einem minimalen Niveau und weisen seit Jahrzehnten enorme Vollzugsdefizite auf. Daher begrüßt Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V., dass die Europäische Kommission im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie die Überprüfung der gesamten EU-Tierschutzvorschriften in einem sogenannten Fitness Check begonnen hat. Gemeinsam mit weiteren Organisationen, fordern wir die Kommission auf die sieben betroffenen Verordnungen und Richtlinien grundlegend im Sinne des Tierschutzes und unter Berücksichtigung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu überarbeiten. In Artikel 13 ist festgelegt, dass Union und Mitgliedstaaten die Bedürfnisse von Tieren als fühlende Wesen in vollem Umfang zu berücksichtigen haben.

Dass die europäischen Tierschutzvorschriften weder dem AEUV, noch wissenschaftlichen Erkenntnissen oder gesellschaftlichen Anforderungen genügen, zeigt beispielsweise ein aktuelles Ranking mit dem Titel „Wie nah sind wir einem käfigfreien Europa?“. In der gesamten EU fristen noch über 300 Millionen Schweine, Hennen, Kaninchen, Gänse, Enten, Wachteln und Kälber ihr Leben eingesperrt in Käfigen. In Deutschland betrifft das ca. 8,75 Millionen Tiere. Eine grausame und nicht akzeptable Praxis.

Das neue Ranking, vorgestellt im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative End the Cage Age, veranschaulicht, wie nah (oder fern) ein kompletter Ausstieg aus der Käfighaltung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist. Darüber hinaus erlaubt es Interessierten einen Tweet an die verantwortlichen Ministerinnen und Minister der Mitgliedstaaten zu senden und sie zum Einsatz gegen Käfighaltung aufzufordern.

Stephanie Kowalski, Tierärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin von Menschen für Tierrechte sagt: „Über 1,5 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger haben sich im Rahmen von End the Cage Age mit uns für Tiere in landwirtschaftlicher Haltung eingesetzt. Die EU muss endlich sicherstellen, dass Tiere nicht nur auf dem Papier als fühlende Lebewesen anerkannt werden. In ausnahmslos allen Mitgliedstaaten gibt es Nachholbedarf. Das sieht man zum Beispiel an der Position Deutschlands in diesem Ranking: wenn 15% der Tiere in Käfigen gehalten werden, bedeutet das hier, dass circa neun Millionen fühlende Lebewesen jedes Jahr unbeschreibliches Leid durchstehen – das ist deutlich mehr als in einem Großteil der anderen Mitgliedstaaten und dem schieren Umfang der industriellen Tierhaltung hier geschuldet.
Wie groß die Widerstände in der Regierung und der Industrie sind, beim Thema Käfige echten Wandel anzustoßen, haben wir während der Debatte um den Kastenstand zu spüren bekommen. Hier brauchen wir eine Kursänderung und müssen die Ratspräsidentschaft der EU mit deutlich höheren Ambitionen antreten.“

Im Jahr 2018 schloss sich der Verein Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg einem breiten Netzwerk von über 170 Tier-, Natur- und Verbraucherschutzorganisationen aus ganz Europa an, um mit vereinten Kräften die Europäische Bürgerinitiative End the Cage Age für ein Ende der Käfighaltung auf den Weg zu bringen. Der Erfolg der Kampagne zeigt deutlich, dass eine käfigfreie Zukunft eine Priorität für Menschen auf dem gesamten Kontinent ist und auch deshalb eine Priorität für die EU und nationale Regierungen sein sollte. Eine Überprüfung der EU-Tierschutzvorschriften ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und muss endlich einen Paradigmenwechsel in der europäischen Tierhaltung herbeiführen.

Noch bis zum 29. Juli können EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Interessengruppen ihre Rückmeldung zum vorgeschlagenen Fahrplan des Fitness Checks einreichen.

Das Ranking und mehr Informationen zur Kampagne unter diesem Link: https://www.endthecageage.eu/wie-nah-sind-wir-einem-kaefigfreien-europa/

 

Hintergrundinformationen

  1. Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie führt die Europäische Kommission in diesem und dem kommenden Jahr einen sogenannten Fitness Check aller sieben auf EU-Ebene existierenden Verordnungen und Richtlinien, die den Tierschutz betreffen, durch und überprüft diese auf ihre Eignung und Wirksamkeit, ihre Relevanz und Übereinstimmung mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der öffentlichen Meinung. In einem ersten Schritt steht der Fahrplan der Kommission für diesen Prozess („Roadmap“) der Öffentlichkeit mit der Möglichkeit zur Rückmeldung noch bis zum 29. Juli 2020 zur Verfügung. Darauf folgen über einen Zeitraum von ca. 1,5 Jahren Konsultationen, Studien, Umfragen und Konferenzen mit verschiedenen Interessengruppen. 
  1. In Artikel 13 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wobei in den Artikeln 1-17 die Grundsätze der Union stehen, heißt es: „Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung […]“.

  2. Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) End the Cage Age hat ein Netzwerk von über 170 Organisationen aus Tier-, Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz zusammengebracht. Es ist das erste Mal, dass sich eine so große Anzahl von europäischen Organisationen gemeinsam für Tierschutz in der Landwirtschaft einsetzt. Die EBI wurde von einer der weltweit führenden Organisationen für den Schutz von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung, Compassion in World Farming, initiiert.

  3. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das Tierschutz-Mitwirkungs- und Verbandsklagerecht in Baden-Württemberg.

  4. Die Gesamtzahlen der Tiere in Käfighaltung und die jeweiligen Anteile im Ranking wurden mit Daten aus verschiedenen Quellen berechnet, einschließlich Statistiken der Industrie und nationaler Regierungen. In die Gesamtzahl der Tiere, die noch in Käfigen gehalten werden, und die Berechnung der Prozentsätze fließen Wachteln und Kälber nicht mit ein, da es für diese Spezies keine konsistenten Daten in allen Mitgliedstaaten gibt. Die Daten zu den Tierzahlen pro Jahr stammen aus den folgenden Quellen und enthalten die aktuellsten Berechnungen: Sauen – Eurostat 2017; Legehennen – CIRCABC 2017; Kaninchen – European Commission (DG Santé) 2016; Enten und Gänse - ITAVI 2016 und SSP, Eurofoiegras 2016. An den Stellen, an denen offizielle Daten fehlten, wurden Schätzungen der Tiere in Käfighaltung auf Basis von Rohdaten und verschiedenen geprüften Quellen berechnet.

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© Tierrechte Baden-Württemberg

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