Pressemitteilung von Ärzte gegen Tierversuche vom 1.8.2107
Extreme Abmagerung bei Mäusen mit künstlich ausgelösten Tumoren, infizierte Mäuse, deren Sterbeprozess tagelang dauert, Ratten, die bis zur Erschöpfung schwimmen müssen. Zwei Drittel solcher laut EU „schwer belastenden“ Tierversuche wurden von deutschen Forschern zu niedrig eingestuft. Das ist das Ergebnis einer aktuellen, in der Fachzeitschrift ALTEX erschienenen Studie des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche.
Seit 2014 müssen Tierforscher für jeden genehmigten Tierversuch eine sogenannte „Nicht technische Zusammenfassung“ (NTS) abliefern, die vom Bundesinstitut für Risikoforschung anonymisiert veröffentlicht wird. Unter anderem muss darin die „Belastung“ für die Tiere in vier Schweregraden angegeben werden: keine Wiederherstellung der Lebensfunktionen (Tod in Narkose), gering, mittel und schwer.
„Diese Zusammenfassungen der Experimentatoren selbst werden ohne jegliche Kontrolle ins Netz gestellt, d.h. es überprüft niemand, ob die Angaben zu den Versuchen und zum Schweregrad überhaupt stimmen“, kritisiert Dr. med. vet. Corina Gericke, Vizevorsitzende des Vereins Ärzte gegen Tierversuche.
Der Ärzteverein untersuchte nun, inwieweit Tierversuche mit dem Schweregrad „schwer“ tatsächlich als solche klassifiziert wurden. Dazu wurden 4.780 NTS aus den Jahren 2014 und 2015 nach Stichwörtern durchsucht, die nach einer EU-Auflistung auf schwere Schmerzen, Leiden, Schäden und Ängste hinweisen. Diese Kriterien wurden bei 235 NTS herausgefiltert. Von diesen waren jedoch nur 83 als „schwer“ gekennzeichnet; 152 (65 %) waren als „mittel“ oder „gering“, also zu niedrig, eingestuft worden.
Darunter waren mehrere Versuche, bei denen Mäuse aufgrund eines künstlich erzeugten Krebsgeschwürs extrem abmagerten (Tumor-Kachexie). Bei einem Impfstofftest wurden Mäuse mit dem Krim-Kongo-Fieber-Virus infiziert. Die ungeimpften Tiere der Kontrollgruppe starben innerhalb von 5-6 Tagen an der Infektion. Ratten mussten in einem Wasserbassin bis zur Erschöpfung schwimmen, was durch die Ausweglosigkeit zu erheblichem Stress bei den Tieren führt.
Von diesen Tierversuchen mit Schweregrad „schwer“ gibt es noch eine Steigerung, nämlich wenn sie mit erheblichen Schmerzen oder Leiden verbunden sind, die länger anhalten und nicht gelindert werden können. Um solche Versuche auf absolute Ausnahmefälle zu beschränken, schreibt die EU ein gesondertes Genehmigungsverfahren über EU-Instanzen vor. „Unsere Auswertung gibt Hinweise darauf, dass solche „schwersten“ Tierversuche, die im ursprünglichen Neuentwurf der EU-Tierversuchsrichtlinie sogar vollständig verboten sein sollten, in Deutschland stattfinden, ohne dass die EU hierfür eine Sondergenehmigung erteilt hätte“, erklärt Gericke.
So wurden Mäusen Stammzellen transplantiert und anschließend wurden sie einer tödlichen Strahlendosis ausgesetzt. Die Tiere litten mindestens zwei Wochen an der durch die Strahlenschäden hervorgerufenen Zerstörung der inneren Organe. Das erhebliche, nicht zu lindernde Leid der Tiere erstreckte sich also über einen längeren Zeitraum.
Der Ärzteverein sieht die Politik in der Verantwortung. „Die Beurteilung des Schweregrads darf nicht den Verursachern überlassen bleiben. Die Angaben in den NTS sind zudem sehr dürftig und keineswegs dazu geeignet, Transparenz zu schaffen“, moniert Gericke.
Ärzte gegen Tierversuche führt seit Anfang 2016 die Kampagne „Schwimmen bis zur Verzweiflung“, die auf ein gesetzliches Verbot dieser schwerstbelastenden Versuche zielt.
Der Statistik des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge wurden im Jahr 2015 rund 2,8 Millionen Tiere in Experimenten verwendet, davon 4% mit dem Schweregrad „schwer“.
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