Offener Brief für ein Verbot von Kälbertransporten
Offener Brief für ein Verbot von Kälbertransporten
2021-03-25 18:23
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg unterstützt den folgenden offenen Brief der Organisation X Orga. Auch wenn ein Verbot der Kälbertransporte für unsere Organisation nur einen kleinen Zwischenschritt darstellt, unterstützen wir ihn dennoch, da die Transporte großes Leid für die Kälber bedeuten. Außerdem ließe sich damit eine „Problematik“ der Milchindustrie nicht mehr so leicht ins Ausland verschieben. Denn die Kuh wird immer nur Milch geben, wenn sie jedes Jahr ein Kind bekommt. Wenn diese Kälber nicht mehr so einfach ins Ausland geschafft werden können, würde der massenhafte Konsum von Milchprodukten und seine Konsequenzen hier im Land sichtbarer werden. Daraus kann man sich eine Hinwendung zu pflanzlichen Alternativen erhoffen.
Verbot von Kälbertransporten per Verwaltungsakt; Ermächtigungsgrundlage § 16 a Tierschutzgesetz
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrter Herr Minister Hauk, sehr geehrter Herr Landrat Sievers,
wie Sie sicher wissen, ist in den letzen Wochen anhand vieler Medienbericht in der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass der Erlass bezüglich Kälbertransporte vom 1.2.2021 auf rechtlich sehr dünnem Boden steht.
Es ist in der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass dieser Erlass auf Fehlentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim und des Verwaltungsgerichtes Sigmaringen beruht.
Renommierte Strafrechtler*innen und Jurist*innen sind bekanntermaßen dieser Auffassung.
Hier ein Auszug aus der „Badische Neueste Nachrichten“, der die Sachlage verdeutlicht:
„Alexander Rabitsch hat im Mai 2020 die Situation auf Anfrage der Landesregierung bewertet. Der österreichische Facharzt und Sachverständige hatte sich auch schon für das EU-Parlament zum Transport von Kälbern und den Bedürfnissen der Tiere geäußert. Politisch bewerten will Rabitsch die Lage in Baden-Württemberg nicht, aber er hatte in seinem Gutachten so ziemlich das Gegenteil von dem geäußert, was das Ministerium nun in seinem Erlass schreibt…. Es ist eine enorme Belastung für die Tiere", sagt Rabitsch. „Leiden durch Hunger – Leiden, das vermeidbar wäre." Die Tiere seien nach zwei Wochen noch zu jung für den Transport. Erst nach vier Wochen bildeten sie eigene Abwehrstoffe. „Sie sind abhängig davon, Muttermilch oder etwas Ähnliches zu bekommen." Doch wenn sie nach 21 Stunden am Bestimmungsort ankommen, bekamen sie lediglich einmal Wasser oder Elektrolyte, so Rabitsch. … Auch die vorgeschriebene einstündige Ruhepause sei nicht ausreichend. „Die Kälber benötigen drei Stunden zum Verdauen, sonst gibt es Verdauungsstörungen." Bei einem Transport habe man festgestellt, dass es alleine vier Stunden dauerte, bis 250 Kälber getränkt waren. „Das ist zeitlich nicht zu schaffen", betont Rabitsch. „Man sieht, dass es etliche Erkrankungs- und auch Todesfälle gibt." Das zeige sich manchmal erst Tage nach der Ankunft. Veterinärämter würden solche Transporte gerne untersagen, berichtet Rabitsch. Doch es fehle die rechtliche Handhabe dafür. „Diese Urteile verpflichten gerade dazu, die Tiere zu verladen." Es brauche ein ordentliches Gerichtsverfahren, bei dem alle Argumente gehört werden.
Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht sieht die Landesregierung nicht an die Urteile gebunden, da es Eil-Entscheidungen seien. Der Vorsitzende Christoph Maisack sagt: „Die Landesregierung ist in einer schwierigen Situation." Sie könne aber den Antrag mit einer Feststellungsklage sofort aussetzen und die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. „Bis zu den letzten Instanzen kann es natürlich dauern", sagt Maisack.“ Er sieht wie Rabitsch auch die negativen Folgen der kurzen Ruhepause und der langen Fahrtzeit: „Das liegt nicht im Interesse der Tiere, sondern im Interesse der Transportunternehmer." Doch Baden-Württemberg sei mit seiner Sammelstelle in Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg) das große Schlupfloch: „Fast alle anderen Bundesländer fertigen keine Kälbertransporte ab, diese irrsinnigen Entscheidungen gibt es nur in Baden-Württemberg." (https://bnn.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/tierschuetzer-demonstrieren-in-stuttgart-wegen-kaelber-transporten-es-ist-leiden-durch-hunger)
Nun, ein gerichtliches Verfahren dauert lange, aber ein Verbot der Tiertransporte per Verwaltungsakt kann sehr zeitnah geschehen und die unrechtmäßige Tierquälerei sofort beenden!
„Unter einem Verwaltungsakt versteht man „die hoheitliche Maßnahme (im Sinne von Verfügung, Entscheidung, Anordnung), die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.“ (§ 35 LVwVfG)
Nach § 16a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen:
„Nach §16a Satz 2 „kann“ die Behörde die verhältnismäßigen, unter anderem dort konkret aufgelisteten, Anordnungen treffen. … Auch unter dem Staatsziel Tierschutz aus Art.20aGG müssen besondere Gründe vorliegen, die ein Nichteinschreiten rechtfertigen, um ausnahmsweise untätig zubleiben. §16a ist auch insoweit verfassungskonform auszulegen. Der Behörde wird durch Art. 20a GG eine Schutzpflicht für das Tier auferlegt. Es ist daher mit der Verfassung nicht vereinbar, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach §16a und damit einer Gefahr oder bereits eingetretenen Schädigung des Tieres, der Behörde eine Wahl dahingehend zuzugestehen, ob sie einschreitet oder nicht. … Seit der Einführung des Art. 20a GG bleibt kein Raum mehr für eine Meinung, die ein Entschließungsermessen annimmt. Denn nur, wenn man eine Pflicht zum Einschreiten der Behörde annimmt, kann man der als Staatsziel eingeführten Wertigkeit des Tierschutzes gerecht werden.“ (https://tierschutz.hessen.de/sites/tierschutz.hessen.de/files/content-downloads/1166-W-09AnimalsAngels_Gutachten16a_pdf.pdf)
Der Verwaltungsakt kann vom Landkreis Ravensburg in Form einer Verbotsverfügung erlassen werden. Wir bitten Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann und Herr Minister Hauk, den Landkreis Ravensburg zu unterstützen, diesen umgehend zu erlassen und damit die Durchführung von Kälbertransporten zu untersagen.
Wollen Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann wirklich, dass Baden-Württemberg als „Schlupfloch“ rechtswidriger Praktiken und Tierquälereien gilt? Möchte Baden-Württemberg tatsächlich als das Bundesland gelten, das für „irrsinnige Entscheidungen“ steht?
Wir fordern einen sofortigen Stopp von rechtswidrigen Kälbertransporten per Verwaltungsakt auf der Ermächtigungsgrundlage des § 16 a Tierschutzgesetz!
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