Anlässlich des Tages zur Abschaffung der Tierversuche haben wir uns mit einem offenen Brief an die Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg gewandt und Sie gebeten, sich für einen Ausstieg aus dem Tierversuch stark zu machen.
Stuttgart, 23.April 2021
Sehr geehrte Frau Ministerin Bauer,
anlässlich des morgigen Internationalen Tages zur Abschaffung der Tierversuche, möchten wir Sie als Wissenschaftsministerin bitten, sich engagiert für die im Wahlprogramm genannten Ziele zur Reduktion von Tierversuchen einzusetzen. Leider war in der zuletzt veröffentlichten Tierversuchsstatistik ein deutlicher Anstieg der Tierversuche zu verzeichnen und Baden-Württemberg hinter Bayern das Bundesland, in welchem die meisten Tierversuche durchgeführt wurden. Genau wie die Niederlande, welche bis 2025 tierversuchsfrei sein wollen, brauchen wir einen konkreten Maßnahmenplan. In Deutschland mangelt es an umgehenden Sofortverboten, konkreten Zielvereinbarungen mit Ausstiegsdaten und schnelleren Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Methoden. Außerdem muss die finanzielle Förderung von Alternativmethoden massiv steigen. Dass die EU-Richtlinie 63/2010 in der Praxis kaum Umsetzung findet, sieht man gut am Beispiel der 74.520 Kaninchen, welche 2019 für auf Blutbasis produzierte Produkte wie Antikörper genutzt wurden. Dafür gibt es schon seit Jahren tierversuchsfreie Methoden.
Es ist erschreckend, dass trotz unserer stetigen Weiterentwicklung im technischen Bereich die Zahl der Tierversuche ansteigt. Ein Ausstieg aus dem Tierversuch scheint in weiter Ferne. Das liegt sicher auch daran, dass Tierversuche ein großes Geschäft sind. Es verdienen nicht nur die Vivisektoren daran, sondern auch Tierversuchskonzerne wie Marshall, Harlan oder Charles River, Transportgesellschaften wie Air France-KLM, Hersteller von Laborbedarf und andere Zuliefererbetriebe. Maßgeblich beteiligt sind aber vor allem die Pharma- und Chemiekonzerne wie Bayer, Novartis, BASF oder Astra-Zeneca, die selbst Tierversuche durchführen oder in Auftrag geben. Ein System mit so vielen Akteuren, die von Tierversuchen profitieren, ist schwer zu durchbrechen. Hier ist letztlich die Regierung gefragt, der Profitgier Einhalt zu gebieten.
Wir begrüßen die Forderung Ihrer Partei nach einer bundesweiten Negativdatenbank und die im Wahlprogramm geplante Förderung von Alternativmethoden. Den geplanten Maßnahmenplan, um zunächst eine Reduktion der Tierversuche von 50 % zu erreichen, halten wir für vielversprechend und hoffen, dieser wird auch in Koalition mit der CDU konsequent umgesetzt. Langfristig sollte ein kompletter Ausstieg aus dem Tierversuch folgen. In unseren Wahlprüfsteinen hat Ihre Partei uns versprochen, sich auf Bundesebene für mehr Tierschutz in der Tierschutzversuchstieranordnung einzusetzen, als auch Versuche an Primaten und schwerwiegende Versuche zu verbieten (1). Unter dieser Prämisse dürfen auch keine weiteren Versuche an Primaten genehmigt werden, so wie sie in Tübingen ja weiterhin stattfinden.
Außerdem ist wichtig, dass für die alternative Forschung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Daher möchten wir Sie heute noch mal eindringlich bitten, sich für die 482.240 Tiere einzusetzen, die 2019 in Baden-Württemberg in Tierversuchen eingesetzt wurden. Wir hoffen, dass Ihre Partei ihr Wahlversprechen einlöst und mit konkreten Maßnahmen zu einer Senkung der Tierversuchszahlen beiträgt. Sehr begrüßt haben wir die von Ihrer Partei durchgesetzte Novellierung des Hochschulgesetzes bzgl. Tierversuchen im Studium. Wir hoffen auf weitere erfreuliche Schritte dieser Art.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Thielert
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das TierschutzMitwirkungs- und Verbandsklagerecht in Baden-Württemberg.
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