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Offener Brief an Bündnis 90/Die Grünen

2021-04-12 11:28

Anlässlich der Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg hat Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg einen Brief an Bündnis 90/Die Grünen gesendet und in diesem auch im Bündnis mit der CDU einen konsequenten Kurs und die Einhaltung der Wahlversprechen gefordert.

 

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

Sehr geehrte Landesvorsitzende Dr. Detzer,

Sehr geehrter Herr Hildenbrand,

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg gratuliert Ihnen herzlich zur Wiederwahl zum Ministerpräsidenten. Die Grünen vertreten viele Ziele, die unser Verein befürwortet. Daher freuen auch wir uns über Ihren Wahlerfolg.

Die letzten fünf Jahre waren geprägt von Schlachthofskandalen und massiver Tierquälerei. Dies muss leider als ein Versagen der Politik gewertet werden und macht deutlich, dass eine drastische Veränderung herbeigeführt werden muss. Daher möchten wir Ihnen Ihre Wahlversprechen hinsichtlich Tierwohl in Baden-Württemberg vor Augen führen und Sie als klaren Wahlsieger ermutigen, diese Versprechen auch gegenüber der CDU durchzusetzen.

Leider ist uns in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche aufgefallen, dass die im Wahlprogramm noch recht deutlich geäußerte Senkung des Fleischkonsums, die nötige Reduktion des Konsums von Milchprodukten und ein Abbau der Tierhaltung keinerlei Erwähnung finden. Gerade in der Partnerschaft mit einer Partei wie der CDU wäre eine Einigung in diesem Bereich sehr essenziell gewesen. Da Sie selbst Biologielehrer waren, wissen Sie sicher um die Gefahr von Zoonosen durch die Massentierhaltung. In der aktuellen Coronalage sollte die Vermeidung zukünftiger Zoonosen absolute Priorität haben. Eine starke Reduktion der Tierhaltung ist für dieses Ziel unvermeidbar. Im Bereich der Energiewende scheint die CDU viel Kompromissbereitschaft gezeigt zu haben. Dass man allein mit dieser den Klimawandel nicht ausreichend stoppen kann, wissen wir dank wissenschaftlicher Studien bereits seit Jahren (1). Bitte halten Sie hier Ihre Wahlversprechen ein. Hilfreich wären sicher konkrete Zahlen, genauso wie man sie bei den Klimazielen auch festgelegt hat.

In unseren Wahlprüfsteinen sprach sich Ihre Partei für ein vegetarisches bzw. veganes Gericht in Hochschulmensen und den landeseigenen Kantinen aus. Dieses Versprechen ist auch in Koalition mit der CDU dringend einzuhalten, um eine Reduktion des Konsums von Tierprodukten für die Bevölkerung so einfach wie möglich zu machen. Die Ernährungsräte dabei zu unterstützen, die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) umzusetzen, ist ein weiterer essenzieller Baustein Ihrer Wahlversprechen. Immerhin konsumieren die Deutschen doppelt so viel Fleisch, wie es von der DGE empfohlen wird. Und dies nicht nur mit massiven Folgen für Tierwohl und Klima, sondern auch die Gesundheit der Menschen (2). Hier ist dringendes Handeln von der Politik unerlässlich. In unseren Wahlprüfsteinen sprach sich Ihre Partei klar für eine Ernährungswende aus, ebenso für eine Reduktion der Tierhaltung und die Förderung der pflanzlichen Produktion in Baden-Württemberg. Herr Minister Hauk hatte sich diesbezüglich leider sehr abschätzig geäußert, daher ist es wichtig, in diesem Bereich stark gegenüber der CDU aufzutreten.

Zum Thema Jagd hat Ihre Partei leider eine wenig tierfreundliche Einstellung. So müsste eine Kürzung der Liste der jagdbaren Arten (Nutzungs- und Entwicklungsmanagement) und das ausnahmslose Verbot tierschutzwidriger Jagdmethoden (z. B. Baujagd am Kunstbau) dringend verfolgt werden. In der Antwort an unseren Verein verwies Ihre Partei darauf, dass Prädatorenjagd z.B. zum Schutz des Auerhuhns unerlässlich ist. Populationsrückgänge betroffener Arten, wie beispielsweise des Feldhasen oder des Auerhuhns, sind überwiegend auf den Lebensraumverlust durch die intensive Landwirtschaft sowie das schwindende Nahrungsangebot zurückzuführen. Das größte Problem für Arten ist der Mensch. Die Natur in sich funktioniert ohne menschliches Eingreifen, so wie sie es schon lange vor dem Menschen tat. Wissen wir also, dass die Arten unter dem Lebensraumverlust leiden, sollten wir nicht Prädatoren bejagen, sondern Lebensraum zur Verfügung stellen. Auch hier schließt sich der Kreis bei der pflanzlichen Ernährungsweise, welche deutlich weniger Ressourcen verbraucht und freie Flächen ermöglichen würde. Diese könnte man in Rewilding-Projekten der Natur zurückgeben. Das wäre echter und nachhaltiger Artenschutz. Im Bereich Jagd bitten wir Sie um eine offenere und weitsichtigere Einstellung. Nachhaltig kann immer nur der Ansatz sein, der bei der Ursache des Problems ansetzt. Überdies sollten stets humanere Methoden als das Töten in Erwägung gezogen werden. In manchen Gebieten der USA wurde z. B. großflächig mit Empfängnisverhütung gearbeitet. Die Wildtierpopulationen gingen so bis zu 60 % zurück.

Zur Tierversuchsthematik begrüßen wir Ihre Forderung nach einer bundesweiten Negativdatenbank und Ihre geplante Förderung von Alternativmethoden. Den geplanten Maßnahmenplan, um zunächst eine Reduktion der Tierversuche von 50 % zu erreichen, halten wir für vielversprechend und hoffen, dieser wird auch in Koalition mit der CDU konsequent umgesetzt. Langfristig sollte ein kompletter Ausstieg aus dem Tierversuch folgen. In unseren Wahlprüfsteinen hat Ihre Partei uns versprochen, sich auf Bundesebene für mehr Tierschutz in der Tierschutzversuchstieranordnung einzusetzen, als auch Versuche an Primaten und schwerwiegende Versuche zu verbieten. Wichtig ist, dass für die alternative Forschung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Seit Beginn der Pandemie ist zu beobachten, dass sich das SARS-CoV-2 Virus, welches beim Menschen COVID-19 verursacht, immer weiter auf europäischen Nerzfarmen verbreitet, unabhängig davon, ob strenge Sicherheitsmaßnahmen auf den Farmen ergriffen werden oder nicht. Neben diesem Risiko ist Pelz ein Produkt, welches extremes Tierleid bedeutet. Ihre Partei versprach uns in unseren Wahlprüfsteinen, sich auf Bundesebene für ein generelles Handelsverbot von Pelz stark zu machen. Außerdem wurde das Versprechen abgegeben, sich im Bundesrat für ein Wildtierverbot in Zirkussen für alle Tiere einzusetzen. Diese Versprechen begrüßen wir und sind gespannt auf die Entwicklungen. Gerne unterstützen wir Sie in diesen Bereichen, indem wir die Öffentlichkeit informieren und bitten, hier ebenfalls Druck auf den Bundesrat auszuüben.

In Zoos leben Tiere leben in einem künstlichen Lebensraum, der meistens den tatsächlichen Bedürfnissen der Tiere nicht entspricht. Hinzu kommen die Tötung und dubiose Verkäufe von "überflüssigen" Tieren. Viel besser können Tiere in Dokumentationen und in ihren tatsächlichen Lebensräumen beobachtet werden und dabei ein Verständnis dafür geweckt werden, dass diese Lebensräume erhalten werden müssen. Ihre Partei äußerte diesbezüglich gegenüber uns, dass Zoos nur noch für Tiere als akzeptabel anzusehen sind, wenn es sich um heimische Nutz- und Wildtiere handelt oder Tiere, denen man eine wirklich artgerechte Haltung zukommen lassen kann. Auch wurde eine deutlich nötige Verbesserung der Anforderungen für das Halten von den einzelnen Tierarten in Zoos erwähnt. Delfinarien möchte Ihre Partei erfreulicherweise abschaffen, ebenso wie das Säugetiergutachten überarbeiten und die Mindestanforderungen darin rechtsverbindlich machen. Es gibt mittlerweile neue Technologien, die in Zukunft Zoos und Aquarien komplett ersetzen könnten. So wird hier mit Virtual Reality ganz ohne echte Tiere eine Art Zooerlebnis geschaffen (3). Baden-Württemberg könnte hier im europäischen Raum ein Vorreiter werden. 

Wir freuen uns über die Aussage in unseren Wahlprüfsteinen, dass Ihre Partei sich für eine flächendeckende Kastration von Straßenkatzen einsetzen wird, was auch die Tierheime entlasten wird. Außerdem wurde uns auf Bundes- und EU-Ebene ein Einsatz für die Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde und Katzen versprochen. Ebenso sprach sich Ihre Partei für ein zentrales Register für Online-Tierhändler*innen aus.

Ein ähnliches Engagement wünschen wir uns im Bereich der Stadttaubenkonzepte. Die Kommunen haben häufig große Probleme bei der Umsetzung dieser, da Ihnen z. B. keine ausreichenden Plätze für geführte Taubenschläge zur Verfügung stehen und Geschäfte sich weigern, solche Projekte an ihren Gebäuden zu dulden. Daher wären hier städteübergreifende Regelungen wünschenswert, auf welche sich die Kommunen im Konfliktfall berufen können.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Ihre grünen Stammwähler*innen auch in der Koalition mit der CDU von Ihnen konsequente Maßnahmen im Bereich Tierwohl und nachhaltiger Landwirtschaft erwarten. Wir haben diesbezüglich auch eine Pressemitteilung verfasst (4).

Auch wenn das Landwirtschaftsministerium in den Zuständigkeitsbereich der CDU fallen sollte, bleiben die Erwartungen Ihrer Wähler*innen bestehen und wir möchten Sie bitten, starke Zeichen zu setzen. Die vergangenen fünf Jahre waren hinsichtlich nachhaltiger Landwirtschaft und Tierwohl in Baden-Württemberg wenig erfreulich und dass liegt unseres Erachtens vor allem daran, dass die CDU den Status quo verwaltet hat. Landwirtschaft gehört unserer Auffassung nach zur Kernkompetenz der Grünen.

 

Wir möchten nochmals zum Wahlerfolg gratulieren und setzen viel Hoffnung in die von Ihrer Partei abgegebenen Versprechen. Für mehr Tierwohl und effektiven Klimaschutz braucht es ein konsequentes Durchgreifen, wirtschaftliche Interessen, wie sie die CDU häufig in den Fokus stellt, dürfen nicht auf Kosten von Tierwohl und Klimaschutz gehen.

Wir wünschen Ihrer Partei weiterhin viel Mut und Erfolg bei der Verwirklichung der gesteckten Ziele und auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft für uns alle.

 

Mit freundlichen Grüßen

Julia Thielert

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.

 

Quellen

Antworten Ihrer Partei zu unseren Wahlprüfsteinen: https://www.tierrechte-bw.de/index.php/wahlen-ba-wue-2021.html

 

1: https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/news/201603-plant-based-diets/

2: https://www.krankenkassenzentrale.de/magazin/deutsche-essen-zu-viel-fleisch-welche-folgen-das-fuer-die-gesundheit-hat-115745#

3: https://mixed.de/vr-zoo-in-china-peta-ist-begeistert/

4: https://www.tierrechte-bw.de/index.php/news-leser/gruene-und-cdu-bilden-die-neue-regierung-in-baden-wuerttemberg-menschen-fuer-tierrechte-baden-wuerttemberg-fordert-eine-konseque.html

 

 

Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das TierschutzMitwirkungs- und Verbandsklagerecht in Baden-Württemberg.

 

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© Tierrechte Baden-Württemberg

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