Die Bundesratsentscheidung über die Kastenstandhaltung von Sauen
Der Bundesrat hat entschieden: Der Kastenstand bleibt für mindestens acht weitere Jahre erlaubt. Damit wurde das Leid von Millionen Schweinen um viele weitere Jahre besiegelt.
Trotz monatelangen Drucks auf Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, dass einem Kompromiss zugestimmt werden würde, der die Sauen-Käfige noch lange erlauben würde.
Trotz Verschlechterungsverbot im Tierschutz
Im Vorjahr hatte Ministerin Klöckner einen Entwurf vorgelegt, der vorsah, dass Millionen Sauen in Deutschland weitere 15 Jahre rund die Hälfte ihres Lebens in den engen Metallkäfigen fristen müssen. Der bereits seit 28 Jahren bestehende Vorschrift, dass die Sauen zumindest ihre Beine in Seitenlage ungehindert ausstrecken können müssen, ohne an ein Hindernis zu stoßen, wird in vielen Betrieben schlichtweg nicht eingehalten. Um diese illegale Praxis zu legalisieren, wollte Klöckner die Passage aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung streichen.
Nach der Übergangszeit von 15 Jahren sollten die Kastenstände dann etwas verbreitert und der Aufenthalt der Tiere darin verkürzt werden. Dieser Entwurf traf auf viel Widerstand und so wurde die Abstimmung immer wieder vertagt. Zumal im Tierschutz das Verschlechterungsverbot gilt.
Kompromiss auf Kosten der Tiere
Der heute verabschiedete Kompromiss sieht keinen „Systemwechsel“ in der Tierhaltung vor.
Vorgesehen ist eine Übergangsfrist von bis zu acht Jahren, danach sieht der Kompromiss eine Gruppenhaltung von Sauen weitgehend ohne Fixierung vor. Von dieser Regelung betroffen ist jedoch nur der sogenannte Deckbereich.
Im sogenannten Abferkelbereich, wo die Mutterschweine ihre Kinder zur Welt bringen und säugen, sieht es für die Tiere noch schlechter aus. Hier hat sich die von Klöckner vorgelegte Übergangsfrist von 15 Jahren durchgesetzt. Danach verkürzt sich lediglich die Zeit, die die Schweinemütter im sogenannten Ferkelschutzkorb fixiert werden dürfen, auf fünf Tage. Für die Käfige gilt eine Mindestgröße von 6,5 Quadratmeter.
Auch was das Ausstrecken der Beine in Seitenlage betrifft, verschlechtert sich die Situation für die Tiere. Die Vorschrift besagt lediglich, dass die Tiere in Seitenlage nicht an „bauliche Hindernisse“ stoßen dürfen. Dabei stellen die größten Hindernisse häufig die Sauen in den Nachbarkäfigen dar, die durch diese Formulierung ausgenommen sind. Denn die Tiere liegen dicht an dicht.
Normenkontrollverfahren
Das Land Berlin hat bereits vor der Neuregelung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV) eine Normenkontrollklage eingereicht, über die das Bundesverfassungsgericht im kommenden Jahr entscheiden wird. Das Land Berlin sieht in der Verordnung die Grundbedürfnisse der Tiere durch die Tierhalterinnen und Tierhalter eingeschränkt und somit einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Ungeachtet der heutigen Bundesratsentscheidung wird das Land an dieser Klage festhalten.
Es besteht daher weiterhin eine Chance, dass die Käfighaltung auch für Schweinemütter irgendwann der Vergangenheit angehören wird.
Update 10. Juni 2020
Unsere Brief-Aktion war sehr wirkungsvoll. Wir haben von einigen Politiker*innen Rückmeldungen darauf erhalten. Auch Thekla Walker, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg und tierschutzpolitische Sprecherin, ließ unserem Verein einen ausführlichen Brief zukommen.
"Der Kastenstand gehört schnellstmöglich abgeschafft. Er darf nicht mit einer Neufassung der Verordnung fortgeschrieben werden, dafür setzen wir uns auf allen Ebenen – auch innerhalb der Koalition mit der CDU - vehement ein."
Thekla Walker, Bündnis 90/Die GRÜNEN
Wir hoffen inständig, dass die Politiker*innen Ihre Stimme, bei der bevorstehenden Abstimmung über die Neuregelung der Nutztierhaltungsverordnung, für die Tiere nutzen werden!
Nach wie vor ist keine Entscheidung darüber gefallen, wie die Sauenhaltung in Deutschland in Zukunft aussehen wird. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern laufen weiter. Mehrfach wurden die Verhandlungen dazu vertagt. Mit einer Entscheidung ist frühestens am 3. Juli 2020 zu rechnen.
Offener Brief an die Landes- und Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Insbesondere von den Grünen erwarten wir, dass sie bei diesen Verhandlungen für den Ausstieg aus der tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung kämpfen. Daher hat Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg sich in einem offenen Brief gemeinsam mit vielen weiteren Organisationen an die Landes-und Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Bundesländern gewandt:
"Kastenstand abschaffen – Bitte nutzen Sie Ihre Möglichkeiten im Bundesrat!
Geben Sie den Tieren Ihre Stimme. Nutzen Sie Ihr Mandat, um sich für den Ausstieg aus der tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung einzusetzen! Sie, als Fraktionsvorsitzende, können sich dafür stark machen, dass der Kastenstand schnellstmöglich verboten wird. Bitte setzen Sie ein Zeichen für den Beginn einer echten Agrarwende im Sinne des Tierschutzes.
Der Kastenstand muss, wie alle anderen Käfige auch, schnellstmöglich verboten werden. Bitte setzen Sie sich deshalb im Sinne der Tiere für den sofortigen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung ein."
Den offenen Brief finden Sie in voller Länge ganz unten auf dieser Seite (als pdf-Dokument zum Download).
Hintergrundinformationen
Für Millionen Sauen ist dies grausamer Alltag: Gefangen in engen Metallkäfigen, unfähig sich zu bewegen. Dieses tierquälerische Dasein betrifft über zwei Millionen Sauen in Deutschland. Die sogenannten Zuchtsauen müssen die Hälfte ihres ohnehin kurzen Lebens als Gebärmaschinen in diesen Kastenständen verbringen. Möglichst viele Ferkel sollen platzsparend und mit möglichst wenigen Verlusten „produziert“ werden. Wirtschaftlichkeit ist das was zählt. Dass die Sauen sich in diesen Gefängnissen weder umdrehen, noch ihre Beine in Seitenlage ungestört ausstrecken können, interessiert die Industrie nicht.
Magdeburger Urteil
Der § 24 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung besagt, dass „Kastenstände so beschaffen sein müssen, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“ und dass deshalb der Umbau der Kastenstände unverzüglich und ohne langjährige Fristen erfolgen muss.
Das sogenannte Magdeburger Urteil vom 24. November 2015 schaffte Rechtssicherheit über die Auslegung dieses Paragraphen.
Verfassungswidrige Neuregelung
Obwohl die entsprechende Vorgabe durch §24 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorhanden ist, wird dies von den meisten Betrieben schlichtweg nicht in die Praxis umgesetzt und die Rechtsprechung ignoriert.
Die illegale, aber dennoch gängige Praxis soll nun durch die geplante Neuregelung der Kastenstand-Haltung legalisiert werden. Hierfür will Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner den entsprechenden Satz aus der Nutztierhaltungsverordnung einfach streichen.
Dieses Vorhaben ist eindeutig verfassungswidrig, da im Tierschutz das Verschlechterungsverbot gilt.
Wir alle sind Teil der Lösung!
Kürzere Zeitspannen in den Kastenständen, sowie mehr Bewegungsfreiheit für die Sauen stellt zwar eine Verbesserung für die Tiere dar. Dennoch kann von artgerecht und tierfreundlich keine Rede sein. Sie werden als Produkt in der Lieferkette gesehen, nicht als fühlende Lebewesen. Wenn sie ihren zugedachten Zweck erfüllt haben oder nicht mehr wirtschaftlich genug sind, werden sie getötet. Unser Einsatz für das Ende der Kastenstandhaltung kann daher nur ein kleiner Schritt auf einem weiten Weg sein. Sie können uns auf diesem Weg unterstützen, indem Sie sich bewusst für eine pflanzliche Lebensweise entscheiden. Vielen Dank!
Hier können Sie unseren Brief in voller Länge lesen
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