In-vitro-Hauttestsystem: Wie kann das künstliche Hautmodell Patienten helfen und Tierversuche ersetzen?
Interview mit dem Biologen Dr. Florian Groeber
Stand: Mai 2015
Dr. Florian Groeber ist Wissenschaftler am Translationszentrum Würzburg ´Regenerative Therapien für Krebs- und Muskuloskelettale Erkrankungen', einem Institutsteil des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Als Gruppenleiter der Abteilung ‚Standardisierte In-vitro-Testsysteme' untersucht er an künstlichen Hautmodellen die Wundheilung, entwickelt Wundheilungstherapien und untersucht toxikologische Fragestellungen. In einem Interview hat er uns unter anderem erklärt, was ihn an der tierfreien Forschung am meisten interessiert.
MFT: Dr. Groeber, wie funktioniert die Züchtung von künstlicher Haut in Ihrem Labor?
FG: Haut wird aus humanen Zellen gezüchtet. Hierbei handelt es sich um Zellen von lebenden Patienten, Biopsiematerial und Abfallprodukte, z.B. Überreste von Schönheits-Operationen und von Beschneidungen. Verschiedene Zelltypen werden isoliert, kultiviert und wieder zusammengesetzt. Die Isolierung dauert zwei Wochen, die Züchtung der Haut dauert etwa drei Wochen.
MFT: Wie wird die Wundheilung untersucht?
FG: Mittels einer Fräse, die vom Fraunhofer Institut für Silicatforschung (ISC) entwickelt wurde, werden der Haut maschinell standardisierte Wunden zugefügt. Früher geschah dies manuell, aber die Wunden waren unterschiedlich, was dann natürlich schwierig ist für die Entwicklung standardisierter Tests.
MFT: Wer sind die Abnehmer?
FG: Pharmaunternehmen und andere Forschungseinrichtungen.
MFT: Pharmafirmen haben also tatsächlich Interesse an künstlichen Hautmodellen und am Ersatz von Tierversuchen?
FG: Durchaus. Und zwar nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch wissenschaftliche und wirtschaftliche Gründe sprechen für das In-vitro-Modell. Pharmafirmen haben das große Problem, dass Tierversuche in präklinischen Studien gute Ergebnisse liefern, aber hinterher in klinischen Studien versagen. Nur etwa eines von zehn an Tieren getesteten Medikamenten kommt letztendlich auf den Markt. Daher hat das In-vitro-Modell auch wirtschaftliche Vorteile.
MFT: War Ihre Entscheidung für die tierfreie Forschung eine bewusste Entscheidung oder hat sich dies eher zufällig entwickelt?
FG: Ich hatte das Glück, in meiner Karriere keine Tierversuche machen zu müssen. Die tierfreie Forschung am künstlichen Hautmodell ist auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr spannend und sie hat auch einen wichtigen gesellschaftlichen Wert.
MFT: Das finden wir auch. Arbeiten Sie international mit Wissenschaftlern zusammen?
FG: Ja durchaus. Das künstliche Hautmodell ist auch für die Transplantationsforschung auf internationaler Ebene sehr interessant. Europa ist auf diesem Gebiet am weitesten.
MFT: Die folgenden Fragen haben wir auch Herrn Dr. Uwe Marx gestellt und hätten ebenfalls gerne Ihre Ansicht hierzu: Warum halten Ihrer Meinung nach viele Wissenschaftler hartnäckig an Tierversuchen fest und was müsste passieren, damit sich dies ändert?
FG: Ich denke, das liegt an der Vergleichbarkeit der Daten. Ergebnisse aus dem Tierversuch lassen sich leicht mit den Ergebnissen von vor fünf Jahren vergleichen. Auch traut man den In-vitro-Modellen noch nicht so ganz, weil diese noch relativ neu sind. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass wenn man Wissenschaftlern den klinischen Bereich näherbringt, sie oft ganz begeistert sind. Auch ist das tierfreie Modell besser kontrollierbar.
© L214 – Éthique et Animaux
MFT: Sowohl die Forschungsfreiheit als auch der Tierschutz sind im Grundgesetz verankert. Oft wird dennoch immer der Forschungsfreiheit eine höhere Bedeutung eingeräumt. Gibt es für Sie eine Grenze in der Forschungsfreiheit?
FG: Ich denke Tierversuche sollte man vermeiden, wo immer es geht. Jedoch ist der Gesamtorganismus heute noch nicht ersetzbar. Daher muss man von Fall zu Fall abwägen. Sollte ein Versuch signifikantes Leid für Tiere generieren, aber man hierdurch kaum Nutzen zieht, ist der Versuch abzulehnen. Wird jedoch z. B. eine Ratte in ein Labyrinth gesetzt, ohne dass ihr großes Leid zugefügt wird und man kann aus den Ergebnissen einen Nutzen ziehen, ist der Versuch meines Erachtens nach vertretbar.
MFT: Wie könnten Politiker die tierfreie Forschung und die Entwicklung tierfreier Forschungsmethoden gezielter fördern?
FG: Die Gesetze werden immer härter, die politische und gesellschaftliche Entscheidung Tierversuche zu ersetzen, wo es möglich ist, wurde bereits getroffen und ist meiner Meinung nach bereits gesellschaftlicher Konsens. Der Fortschritt ist jetzt eher eine Frage der technologischen Entwicklung. Es fehlen noch viele tierfreie Modelle und es müssen die Möglichkeiten gegeben werden, die technologische Entwicklung voranzutreiben.
MFT: Vielen Dank Herr Dr. Groeber für das Interview.