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Ernährung

Ernährung: Warum vegan?

Menschen, die auf Fleisch verzichten, waren früher Exoten. Im Jahr 1983 lebten einer Umfrage zufolge lediglich 0,6 Prozent der deutschen Bevölkerung fleischfrei. Heute leben nach Umfragen  7,8 Millionen Menschen vegetarisch und bereits 900.000 vegan. Im europäischen Vergleich war Deutschland im Jahr 2015 Spitzenreiter bei der Einführung neuer, rein pflanzlicher Lebensmittel. Die mediale Berichterstattung greift die vegane Ernährung häufig auf und vegane Kochbücher bleiben über Wochen in den Bestsellerlisten.

Doch warum gewinnt insbesondere die rein pflanzliche Ernährung zunehmend an gesellschaftlicher Tiefenwirkung?

Immer mehr Menschen wird bewusst, dass sowohl der Umgang mit den sogenannten „Nutz“tieren wie auch die ökologischen und sozialen Folgen aus der Massentierhaltung nicht den kurzen Genuss rechtfertigen. Für tierische Produkte werden die Tiere qualvoll gezüchtet, gehalten und geschlachtet. Dies gilt für jedes industrielle Haltungssystem und jede Tierart. Die Tiere erkranken physisch wie psychisch und erfahren von der Geburt bis zum Tod unvorstellbares Leid.

Nicht nur für Fleisch: Kühe werden jedes Jahr künstlich besamt, damit ihr Milchfluss nicht stoppt. Aufgrund langjähriger Züchtungen gibt ein Tier bis zu 12.000 Liter Milch im Jahr. Eine solche Milchleistung laugt die Kuh aus und lässt sie trotz Kraftfutter ausmergeln. Nach der Geburt wird der Mutterkuh das Kalb genommen, welches anschließend mit Milchaustauschern gefüttert wird. Die Kuh und das Kalb haben natürlicherweise eine sehr enge Bindung. Die Trennung ist für die Tiere sehr schmerzhaft und die Mutterkühe rufen ihre Kälber noch lange nach der Trennung. Als Folge der frühen Trennung von der Mutter entwickeln die Kälber häufig psychische Erkrankungen und besaugen sich gegenseitig oder trinken Harn.

Den Kälbern werden in aller Regel ohne Betäubung die Hörner mit einem Brennstab ausgebrannt. Diese äußerst schmerzhafte Prozedur soll dazu dienen, dass sich die Tiere in der beengten Haltung nicht gegenseitig verletzen. Während die weiblichen Kälber meist möglichst früh ihr erstes Kalb bekommen und anschließend in der Milchindustrie genutzt werden, landen die männlichen Kälber in der Mast. Sie gelten als Ausschuss und werden häufig mit qualvoll langen Tiertransporten ins Ausland transportiert.

Kühe haben eine Lebenserwartung von 20 Jahren, in der Milchindustrie leben sie jedoch nur durchschnittlich fünf Jahre und werden geschlachtet, sobald ihre Milchleistung nachlässt. Im Jahr 2015 wurden zudem 1,8 Millionen Rinder trächtig geschlachtet. Dies hat zur Folge, dass die ungeborenen Kälber im Mutterleib ersticken.

Aber auch für Eier müssen Tiere leiden: In der Hochleistungszucht wurden Hühner entweder auf eine hohe Fleischleistung oder auf eine hohe Legeleistung gezüchtet. Eine heutige hochgezüchtete Henne kann über 300 Eier im Jahr legen. Zum Vergleich: Früher waren es nur etwa 20 Eier jährlich. Die Tiere, die der sogenannten Legelinie entstammen, setzen jedoch nicht ausreichend Fleisch an, um in der Mast als rentabel zu gelten. In Deutschland werden daher etwa 50 Millionen männliche Eintagsküken getötet, da sie keinen wirtschaftlichen Nutzen haben. Da auch die meisten Biobetriebe die hochgezüchteten Tiere nutzen, sterben die Hähne auch für Eier aus biologischer Haltung. Die männlichen Küken werden nach dem Schlupf vergast oder lebendig geschreddert. Ähnlich wie bei den Kühen werden die Hennen weit vor ihrer natürlichen Lebenserwartung getötet. Ein Huhn kann bis zu 15 Jahre alt werden; in der Eierindustrie lebt eine Henne maximal 1,5 Jahre.

Der hohe Konsum tierischer Produkte ist aber weit mehr als ein tierethisches Problem. Es entstehen signifikante soziale, ökologische und gesundheitliche Probleme.

Weltweit werden etwa 70 Prozent der Ackerflächen für den Anbau von Futterpflanzen von „Nutz“tieren verwendet. In Entwicklungs- und Schwellenländern werden Soja und Mais im großen Stil angebaut; unter anderem, um die hiesigen großen Tierbestände mit Futtermitteln versorgen zu können, da die heimischen Flächen nicht mehr ausreichen. Zum Teil müssen durch Brandrodung von Regenwäldern neue Anbauflächen geschaffen werden. Dies zerstört nicht nur Ökosysteme und gefährdet seltene Arten, sondern schädigt die „grüne Lunge“ des Planeten massiv. In anderen Gebieten sichern sich ausländische Investoren die fruchtbaren Flächen für den Anbau von Mais und Soja – dieses Vorgehen wird als Landgrabbing (Land grabschen) bezeichnet. Der einheimischen Bevölkerung gehen diese Anbauflächen verloren; Landgrabbing schadet der Ernährungssouveränität und ist ein Faktor, der zu Welthunger führt.

In Europa werden tierische Produkte im Überschuss produziert. Durch Subventionen künstlich verbilligt, werden Fleisch und Milch in Entwicklungsländer exportiert. Dort zerstören jene europäischen Überschusswaren die regionalen Märkte und schaffen Armut sowie eine Abhängigkeit von Industrienationen.

Auch ökologisch ist die sogenannte Nutztierhaltung ein Desaster. Alle führenden Forschungsinstitute sind sich einig, dass ein durch Menschen verursachter Klimawandel (anthropogener Klimawandel) mittlerweile unstrittig ist. Der Klimawandel gilt als die größte Herausforderung der Menschheit und eine Erwärmung von mehr als 2 Grad hätte nicht absehbare Folgen. Mangels Erfahrungswerten kann nur modellhaft spekuliert werden, wie sich ein 2-Grad-Anstieg konkret auf die Erde auswirken würde. Es steht jedoch zu erwarten, dass die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung potentiell gefährdet ist. Schon jetzt zeigen sich Auswirkungen der Erderwärmung etwa durch das Schmelzen der Polkappen oder auch durch extreme Wetterlagen.

Die Massentierhaltung befeuert den Klimawandel auf mehreren Ebenen. Neben dem Abholzen von Regenwäldern und den daraus resultierenden Folgen ist laut Umweltbundesamt die Landwirtschaft der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. So gilt beispielsweise die Rinderhaltung als ähnlich schädlich wie  der Autoverkehr. Die Futterpflanzen Mais und Soja werden in Monokulturen angebaut und führen zu einer Überdüngung der Böden und damit zu einer Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit.

In der Massentierhaltung wird Trinkwasser in großen Mengen sowohl verbraucht als auch verschmutzt. Ein Glas Milch verbraucht unglaubliche 200 Liter Wasser. Die Wassermenge entfällt auf das Wässern der Futterpflanzen, das Tränken der Kuh sowie für den landwirtschaftlichen Verbrauch und die Weiterverarbeitung der Milch. Insbesondere in Ländern mit einem geringen Süßwasservorkommen nehmen die Konflikte um die Ressource deutlich zu. Die „Nutz“tierhaltung führt ebenso zu einer Verschmutzung von Gewässern. So finden sich im Grundwasser  unter anderem Rückstände von Antibiotika, Phosphor oder auch Nitrat.

Die außerordentlich beengte Haltung der Tiere in der Massentierhaltung fördert Krankheiten. Aus diesem Grund wird Antibiotika in großen Mengen eingesetzt. Zwar dürfen Antibiotika nicht mehr prophylaktisch oder als Wachstumshormone gegeben werden, aber da es bei der Menge an gehaltenen Tieren praktisch unmöglich ist, einzelne kranke Tiere zu isolieren, werden nach wie vor großflächig Antibiotika eingesetzt. So entstehen multiresistente Keime, welche einer aktuellen Studie zufolge im Jahr 2050 mehr Todesfälle hervorbringen werden als Krebs. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass schon heute 25.000 Menschen in Europa an multiresistenten Keimen sterben.

Die negativen Effekte auf den Körper durch den übermäßigen Verzehr von rotem Fleisch benennen Ernährungswissenschaftler schon seit einiger Zeit. Rotes Fleisch fördert Experten zufolge Gicht, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes oder auch Krebs. Zunehmend wird jedoch auch Milch kritisiert. Mit Werbeslogans wie „Die Milch macht`s“ wurde der Verzehr von Milchprodukten jahrelang erfolgreich beworben. Dass Milch jedoch in dem Verdacht steht, Neurodermitis, Asthma, Osteoporose oder Diabetes auszulösen, wird erst zunehmend bekannt.

Wurde früher die rein pflanzliche Ernährung mit einer Mangelernährung gleichgesetzt, zeigen aktuelle Studien die außerordentlich gute Verträglichkeit und Nährstoffversorgung dieser Ernährungsform – eine ausgewogene Ernährung vorausgesetzt. Der veganen Ernährung sollte lediglich das Vitamin B12 zugeführt werden, da ein Mangel schwerwiegende Folgen haben kann. Dieses Vitamin kommt typischerweise in tierischen Produkten vor, wird den Tieren aber mittlerweile ebenfalls zugefüttert.

Den gesellschaftlichen Wandel begreifen viele Firmen zurecht als neuen Wachstumsmarkt. Vegane Brotaufstriche, pflanzliche Milch oder Alternativen zu Wurst haben Hochkonjunktur und finden sich mittlerweile selbst bei Discountern. Es wird zunehmend leicht, auf tierische Produkte zu verzichten, da der Markt sich auf vegane Kunden einstellt. Heute bietet auch nahezu jedes Restaurant eine fleischfreie oder sogar vegane Speisenauswahl.

Die pflanzliche Ernährung ist die Ernährung der Zukunft. Der Veganismus ist kein Trend, welcher wieder verebbt. Im Gegenteil – eine rein pflanzenbasierte Ernährung und ein gleichwürdiges Mensch-Tier-Verhältnis macht uns zukunftsfähig. Nachfolgende Generationen werden unseren heutigen Umgang mit empfindungsfähigen Lebewesen sowie den verschwenderischen Umgang mit endlichen Ressourcen zu Recht kritisieren.

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