138.000 Unterschriften für Ausstieg aus dem Tierversuch
Unterschriftenübergabe an Bundeslandwirtschaftsministerium
Letzte Woche haben Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. und Ärzte gegen Tierversuche e.V. mehr als 138.000 Unterschriften an die Parlamentarische Staatssekretärin von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, Dr. Ophelia Nick übergeben. Die Unterschriften waren im Rahmen der gemeinsamen Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“ zusammen mit 15 Unterstützer-Vereinen gesammelt worden. Danke an alle, die auch uns beim Unterschriften sammeln unterstützt haben ❤
Große Hoffnungen wurden Ende 2021 in die neue Bundesregierung gesetzt und der Koalitionsvertrag mit Spannung erwartet – leider enttäuschte die Passage zu Tierversuchen. Hatten die Grünen im Wahlprogramm noch angegeben, eine konsequente Reduktion von Tierversuchen in der Wissenschaft anzustreben und sie mit einer klaren Ausstiegsstrategie und innovativen Forschungsmethoden schnellstmöglich ersetzen zu wollen, konnte man sich im Koalitionsprogramm lediglich auf eine nicht näher definierte „Reduktionsstrategie“ einigen.
Und dies, obwohl auch die SPD sich in ihrem Wahlprogramm für einen „perspektivischen Ausstieg aus den Tierversuchen“ ausgesprochen hatte.
Die Wähler:innen aber sehen das anders: Sie fordern einen konkreten Ausstiegsplan mit verbindlichen Zielen. 138.675 Menschen haben allein in den letzten zwei Jahren für den Ausstieg unterzeichnet. Die Unterschriften haben offenbar genug Gewicht, um einen Termin beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu erhalten. Die unter der „grünen“ Führung von Cem Özdemir operierende Behörde hat heute Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte, und Dr. Corina Gericke, Vizevorsitzende von Ärzte gegen Tierversuche, zur Unterschriftenübergabe und zu einem Austausch mit der Parlamentarischen Staatssekretärin und Tierärztin Dr. Ophelia Nick empfangen.
„Auch, wenn nur ein Reduktionsplan im Koalitionsvertrag erwähnt wird, können Bemühungen durchaus darüber hinaus gehen – schließlich ist es nicht als Vertragsbruch zu definieren, wenn die Politik größere Herausforderungen umsetzt, als sie ursprünglich angestrebt hat“, kommentiert Dr. Gericke. Christina Ledermann ergänzt: „Wir brauchen den Ausstieg nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch um Patienten und Verbraucher in Zukunft effektiv schützen zu können. Hinzu kommt die Bedeutung der humanbasierten Methoden für den Forschungsstandort Deutschland. Dazu muss die Forschungsförderung gezielt im Sinne der tierfreien Verfahren umgeschichtet werden!“
Die Vertreterinnen wiesen gegenüber Nick darauf hin, dass einige andere Länder, darunter die USA, Schweden und die Niederlande, den Gewinn durch derartige Innovationen erkannt haben und bereits einen Paradigmenwechsel im Bereich Tierversuche anstreben.
Update 1. Juli 2020
Offener Brief an die Bundesministerinnen Klöckner und Karliczek:
Die Corona-Krise als Chance für den Ausstieg aus dem Tierversuch
Insgesamt 14 Organisationen haben sich zusammengeschlossen und sich mit einem offenen Brief an die Bundesministerinnen Klöckner und Karliczek gewandt. Wir fordern sie auf, jetzt den Ausstieg aus dem Tierversuch zu stellen für eine humanbasierte Forschung.
Die Corona-Krise ist eine Zäsur. Nie zuvor hat ein Ereignis so drastische Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und Wirtschaft gehabt. Diese Pandemie muss auch auf wissenschaftlicher Ebene der Weckruf für einen Neuanfang sein. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben und würde uns immer weiter in die Sackgasse der extrem mangelhaften und ineffizienten Testmethode Tierversuch führen.
Die Corona-Krise hat die ganze Welt im Griff. Viele Menschen klammern sich jetzt mehr denn je an die Vorstellung, dass nur mithilfe von Tierversuchen geeignete Medikamente entwickelt werden können. Denn auch große Teile der Wissenschaftswelt suggerieren die Dringlichkeit der Suche nach „geeigneten Tiermodellen“.
Dabei wird jedoch die Tatsache außer Acht gelassen, dass ein künstlich krank gemachtes, genmanipuliertes Tier nie die Situation eines erkrankten Menschen widerspiegeln kann. Eine tiefe Verwurzelung in der tierexperimentellen Forschung lässt die meisten Wissenschaftler*innen an diesem überholten System festhalten – zu Unrecht, wenn man sich die Zahlen und Fakten ansieht.
Rund 95% der neuen Medikamente, die im Tier für wirksam und sicher befunden wurden, erreichen keine Marktreife – entweder zeigen sie beim Menschen keine erwünschte Wirkung oder haben erhebliche Nebenwirkungen.
Schon jetzt aber ist klar, dass SARS-CoV-2 nicht einfach verschwinden wird. Therapie und Impfstoff müssen gefunden werden – aber Tierversuche sind unzuverlässig, teuer und dauern zudem zu lange.
Demgegenüber stehen humanbasierte Methoden, die selbst das Max-Plack-Institut für Infektionsbiologie als „ideale Testsysteme“ bezeichnet.1 Menschliche Lungenorganoide können mit dem Virus infiziert und auch erfolgreich behandelt werden. Zur Erprobung von Impfstoffen eignen sich diese Modelle in Form von Multi-Organ-Chips ebenfalls, mit dem Lymphknoten-auf-dem-Chip können auch Immunreaktionen des menschlichen Körpers auf einen potenziellen Impfstoff simuliert und untersucht werden.
Es wäre unverantwortlich den Menschen und Tieren gegenüber, nicht die bestmöglichsten Optionen zu unterstützen. Darüber hinaus werden gerade viele Gelder für die Corona-Forschung generiert – es ist auch Aufgabe der Politik, diese sinnvoll einzusetzen.
Jedes Jahr leiden rund 2,8 Millionen Tiere in deutschen Laboren. Obwohl die EU-Mitgliedstaaten vereinbart haben, Tierversuche vollständig zu ersetzen (1), ist die Zahl der in Deutschland eingesetzten Versuchstiere immer noch unverändert hoch.
Dabei ist die Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen nicht gegeben. Dies erkennen auch immer mehr Wissenschaftler*innen an. Die tierfreie Forschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, trotz vollkommen unzureichender Förderungsquote von weniger als 1 Prozent Anteil im Vergleich zu Tierversuchen, auf die über 99 Prozent der staatlichen Gelder fallen.
Ausstiegsplan für Deutschland
Ein Ausstieg aus dem Tierversuch ist nötig und möglich. Deshalb ist die Bundesregierungaufgefordert, endlich einen wissenschaftlich fundierten Ausstiegsplan zu erarbeiten. Die wichtigsten Punkte dabei sind:
konkrete Zielvereinbarungen, Ausstiegsdaten und ein Monitoring-System
Sofortverbote müssen für bestimmte Bereiche erlassen werden, wie Tierversuche für Haushaltsprodukte und mit Schweregrad „schwer“ sowie Tierverbrauch im Studium
Gelder für die Entwicklung tierversuchsfreier Verfahren müssen durch Umschichtung drastisch erhöht und deren Anerkennung und Anwendung aktiv unterstützt und beschleunigt werden
Vorbild Niederlande
Bisher sind lediglich die Niederlande das Problem angegangen und haben 2016 einen systematischen Abbauplan für Tierversuche veröffentlicht. Dieser umfasst konkrete Meilensteine und Maßnahmen. Im ersten Schritt ist die Beendigung der regulatorischen (gesetzlich vorgeschriebenen) Tierversuche bis 2025 vorgesehen. Für die Grundlagenforschung sieht der Plan eine schrittweise Reduzierung der Tierversuche vor. Bislang hat kein anderer EU-Mitgliedsstaat es ihnen gleichgetan. Lediglich die Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt wurde aktiv und legte einen Abbauplan im Sinne des niederländischen Berichts vor.
2019 haben die USA angekündigt, ebenfalls einen Ausstiegsplan zu entwickeln. Verlässliche tierfreie Methoden sollen bis 2035 Giftigkeitstests an Säugetieren vollständig ersetzen. Die US-Umweltbehörde EPA begründet diesen Schritt unter anderem mit der schlechten biologischen Vorhersage von Tierversuchen.
Großes Bündnis
Insgesamt haben sich 13 Initiativen und Vereine zusammengeschlossen um mit der Kampagne Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT! die Öffentlichkeit zu mobilisieren und Druck auf die Politik auszuüben. Federführend in dieser wichtigen Kampagne sind unser Bundesverband, sowie die Ärzte gegen Tierversuche. Der Auftakt der Kampagne war am 29. Januar 2020. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Vereine versammelten sich mit Bannern und Schildern vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin.
Außerdem wurden die ersten 52.000 Unterschriften einer bereits seit einem Jahr laufenden Petition an eine Mitarbeiterin des Tierschutzreferats im BMEL gegeben, zusammen mit einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, in dem die zentralen Argumente und Forderungen aufgeführt sind.
(1) 2010 haben die EU-Mitgliedstaaten vereinbart, Verfahren mit lebenden Tieren für wissenschaftliche Zwecke und Bildungszwecke vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist (Richtlinie 2010/63/EU, Erwägungsgründe 10, 46, Artikel 47 Absatz 1).
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