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Die Leistung und das Leiden der Milchkühe

Laufstallhaltung

Die Laufstallhaltung bedeutet nicht weniger Leid unter den Tieren als die Anbindehaltung. Die Tiere liegen auf Vollspaltenbetonböden was in vielen Fällen zu haltungsbedingten und äußerst schmerzhaften Erkrankungen führt.

Faktencheck

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 33 Mio. Tonnen Milch von insgesamt 4 Mio. sogenannter Milchkühe produziert. Der Markt für Milch und Molkeerzeugnisse in unserem Land boomt, dazu kommt der Transport ins Ausland. Doch dieser Markt induziert gleichzeitig zwei höchst tierschutzrelevante Probleme: Für viele Kälber endet die Wertschöpfungskette direkt nach ihrer Geburt, sie gelten als „Abfallprodukt“, denn anders als für die Milch existiert für sie kein Markt. Kälber kommen oft zu schwach zur Welt und überleben nicht. Doch auch das Schicksal derjenigen Tiere, die überleben, ist besiegelt; als männliche Tiere kommen sie in die Mast, weibliche Tiere werden selbst zur „Hochleistungskuh“.

Sobald das Kalb zum Wiederkäuer herangewachsen ist, beginnt der Kreislauf der sogenannten Milchkuhhaltung: Die künstliche Besamung, die schmerzvolle Trennung vom Kalb kurz nach der Geburt und der Leistungsdruck. Schätzungen zufolge werden etwa 20-35 % aller „Milchkühe“ aussortiert, da sie dem hohen Leistungsanspruch nicht standhalten können. Unabhängig davon, ob Öko- oder konventionelle Haltung-jede „Milchkuh“ leidet im Verlauf ihres kurzen Lebens an Erkrankungen, die leistungsbedingt entstehen. Unter natürlichen Bedingungen können Kühe ein Alter von bis zu 25 Jahren erreichen; Milchkühe werden im Durchschnitt circa 37 Monate alt.

Gesetzliche Regelungen in Deutschland

Seit dem Jahr 2002 ist Tierschutz als Staatsziel in der deutschen Verfassung fest verankert. Es verpflichtet den Menschen dazu, das Leben und Wohlbefinden des Tieres als Mitgeschöpf zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigem Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

In insgesamt 22 Paragrafen werden im Tierschutzgesetz klare Regeln gesetzt, die in der Tierschutznutztierverordnung weiter konkretisiert werden. Wer gegen das Tierschutzgesetz verstößt, muss mit Straf- und Bußgeldern rechnen, auch mit einer Freiheitsstrafe ist zu rechnen, wenn man ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Wer ein Tier betreut oder zu betreuen hat, so heißt es in Paragraf 2 TierSchG:

1. Muss das Tier in seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.

2. Darf Möglichkeiten des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

3. Muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tiers erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Hinzu kommt, dass es verboten ist, einem Tier außer in Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offensichtlich nicht gewachsen ist oder die offensichtlich seine Kräfte übersteigen.

Zudem wird das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft dazu ermächtigt, die Anforderungen an die Haltung von Tieren näher zu bestimmen. 

Die Umsetzung der EU- Richtlinie 2008/119 EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern regelt bisher nur die Haltung von Kälbern bis zum 6. Lebensmonat. Für „Milchkühe“ gibt es demnach keine verbindlichen Regelungen.

Tierschutzorganisationen bekommen regelmäßig zu spüren, wie das Tierschutzgesetz hierzulande mit Füßen getreten wird. Dennoch ist der rein rechtliche Weg, Tiere zu schützen, der einzig legale, um etwas erreichen zu können. Solange es der Standard bleibt, dass sogenannte Nutztierhalter bei Missachtung des Tierschutzgesetzes und anderer Verordnungen nicht mit Strafen zu rechnen haben, wird es unmöglich sein, verschiedene Anliegen wie eine Umstellung hin zu einer veganen Landwirtschaft realisieren zu können.

So rechnet sich die Kuh

Die sogenannte Milchkuh verzeichnet die größte und kontinuierlichste Steigerung der Leistung innerhalb aller landwirtschaftlich gehaltenen „Nutztiere“. Vor 20 Jahren gab eine Kuh durchschnittlich 6.000 kg Milch pro Jahr. Heute sind es bis zu 10.000 kg Milch. Dieser Leistungsanstieg geht einher mit enorm hohen Anforderungen an die Physiologie der Tiere. Zudem kann eine solche Leistung nur mit Kraftfutter erreicht werden. Kraftfutter macht die Tiere krank da der hochsensible Verdauungstrakt nicht an diese unnatürliche Fütterung angepasst ist. Die Konsequenz: Kranke, abgemagerte Kühe, denn die gesamte Energie muss in die Produktion von Milch gesteckt werden. Da der Energieanspruch durch das Futter nur bis zu einer gewissen Grenze gedeckt werden kann müssen Reserven aus Knochen und Muskeln gezogen, da das Tier sonst nicht überleben kann.

Krankheiten:
Das ausgeklügelte Verdauungssystem für Gras verträgt kein Kraftfutter. Krankheiten entstehen:

  • Osteoporose
  • Milchfieber (der Stoffwechsel entgleist, führt häufig schnell zum Tod)
  • schmerzhafte Verdauungs- und Klauenprobleme
  • Sterilität
  • Mastitis (Euter- = Brustentzündung, sehr schmerzhaft, darunter leiden ca. 40% der sogenannten Milchkühe)

Besondere Effizienzsteigerung:
Wenige Wochen nach jeder Geburt (und Trennung):

  • Spitzenleistung bei der Milchabsonderung.
  • Durch Hormongaben wird Empfänglichkeit erzeugt,
  • dann künstliche Besamung und die nächste Schwangerschaft.

Vor der Abnahme der Milchleistung soll die Kuh wieder „kalben" und sofort wieder viel Milch geben.
Kühe sind also bis zu ihrer Aussortierung praktisch ununterbrochen schwanger und geben gleichzeitig Milch (widernatürlich und wahnsinnig kräftezehrend).
Die Milchindustrie zieht ihren Profit buchstäblich aus der Substanz der Kuh.

Haltung

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 4 Millionen „Milchkühe“ gehalten. Etwa 70 % der Tiere leben in Laufställen. Mit der Einführung vor 45 Jahren konnte angeblich in Bezug auf Tiergesundheit, Tierwohl und artgerechte Tierhaltung ein weitreichender Erfolg für die Tiere erreicht werden. Ein erheblicher Trugschluss, denn die Kühe leiden teilweise stärker als in Anbindehaltung. Beispielsweise entwickeln die Tiere aufgrund des harten Untergrundes der Lauf- und Liegeflächen oft Klauenerkrankungen und andere haltungsbedingte Erkrankungen wie Sprunggelenkschäden. Es wird suggeriert, dass das Haltungssystem Laufstall den Tieren die Ausübung aller natürlichen Verhaltensweisen ermöglicht, da sie nicht mehr fixiert sind. Doch die Ausgestaltung von Laufställen beinhaltet in den allermeisten Fällen Vollbetonspaltenböden. Dieser Untergrund widerspricht der besonderen Klauenmorphologie des Rindes und verursacht demnach Schmerzen und Leid.

Ein hoher Anteil der „Milchkühe“ lebt auch heute noch in Anbindehaltung. Diese Art der Haltung bedingt eine starke Bewegungs- und Verhaltenseinschränkung, sie hat Auswirkungen auf beinahe alle arteigenen Verhaltensweisen der Kuh: Das Ruheverhalten, die Fortbewegung, Komfortverhalten und sie setzt das Ausüben sozialer Interaktionen mit Artgenossen praktisch gänzlich aus. Die Zulassung für Neubauten ist in Deutschland nicht mehr erlaubt, außerdem wird die Anbindehaltung von der Gesellschaft mittlerweile abgelehnt. Ein komplettes Verbot gibt es dennoch nicht. Hier würde sich eine Umstellung von Anbindehaltung hin zur bio-veganen Landwirtschaft sehr gut anbieten, es mangelt aber bedauerlicherweise an Fördermitteln dafür.

Doku Tipp:
Verheizt für billige Milch - Das Leiden der deutschen Turbokühe. Eine sehenswerte Reportage der ARD >>


Die Trennung von Kuh und Kalb 

Durch die Trennung von der Mutterkuh und dem Kalb direkt nach der Geburt oder innerhalb der ersten 24 Stunden werden hoch motivierte soziale Verhaltensweisen sowohl bei der Kuh als auch beim Kalb ganz und gar unterdrückt. 

Bauern, die sich heute aus der Hölle der Milchproduktion zurückgezogen haben, berichten mit Entsetzen davon, wie von ihren Kindern getrennte Kühe tage- und nächtelang ihren Schmerz in die Welt hinausschreien. Aber haben die Gefühle von Kühen denn die gleiche Qualität wie die von menschlichen Müttern? Die Autorin Temple Grandin, Wissenschaftlerin und Rinderexpertin, schreibt dazu in ihrem Buch "Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier": „Dass Tiere und Menschen ähnlich empfinden, wissen wir aufgrund unserer Kenntnisse, wie Gefühle im Gehirn entstehen. Die Voraussetzungen dafür sind nämlich bei Mensch und Tier identisch." Wenn es darum gehe, „seinen Nachwuchs zu verteidigen, empfinden Tiere genauso wie wir."

Vielleicht ist dieser tage- und wochenlang anhaltende Schmerz noch schlimmer als alles, was Kühen und Kälbern später im Schlachthaus geschieht. Seit der grauen Vorzeit ist es für Kälber und Kühe immer schlimmer geworden, vor allem in den letzten Jahrzehnten. Ihr Leiden ist kaum zu fassen. Man hat ihnen alles genommen, was sie als Kühe, als fühlende, intelligente Geschöpfe brauchen: Mutterliebe, Kinderliebe, enge familiäre Beziehungen, eine Großfamilie (Herde), Bewegung auf sauberen, duftenden Wiesen, Grünfutter, einen weichen Platz zum Liegen, Hörner, einen natürlichen Wechsel von Schwangerschaft und Aufzucht ihrer Kinder – alles, was ihr Leben ausmacht, lange bevor sie im blutigen Grauen der Schlachthöfe umgebracht werden.

Gerade Erstkalbinnen erleiden in vielen Fällen  Schwer- oder Totgeburten; oft ist eine durch den Landwirt durchgeführte, schmerzhafte „Geburtshilfe“ nötig.

Das Kälberleben

Nach der schmerzhaften Trennung von der Mutter kommt das Kalb für die ersten 7 bis 14 Lebenstage, das ist die Neugeborenenphase, in die Einzelhaltung. Dafür ist entweder die Kälberbox im oder außerhalb des Stalls in Iglus oder Kälberhütten vorgesehen. Durch die Einzelhaltung soll verhindert werden, das ältere Kälber die Jüngeren aufgrund des im Stall herrschenden Dominanzverhaltens vom Tränkeautomaten verdrängen. Als Rechtfertigung für die Isolationshaltung der Kälber wird das erhöhte Risiko für Nabelentzündungen aufgrund des gegenseitiges Besaugens der Kälber genannt. Insgesamt soll also eine bessere Gesundheitskontrolle ermöglicht werden. Das gegenseitige Besaugen ist allerdings eine Verhaltensstörung, die aufgrund des unbefriedigten Saugbedarfs am Euter der Mutter entsteht. Unter natürlichen Bedingungen wird ein Kalb mit circa 12 Monaten von seiner Mutter von der Milch entwöhnt, die Kuh-Kalb Trennung führt demnach zur Frustration unter den Kälbern, was wiederrum zum gegenseitigen Besaugen führt. Auch das Dominanzverhalten am Tränkeautomaten ist menschengemacht, denn unter natürlichen Bedingungen verbringen Kälber ihre Kindheit im Kälberkindergarten, der von einem Bullen oder einer Kuh betreut wird. Innerhalb der Herde entstehen außerdem Rangordnungen, die Dominanzverhalten verhindern. Die herkömmliche Milchproduktion setzt allerdings voraus, dass Herden immer wieder durchmischt werden, wodurch die Tiere ihre Rangposition ständig neu klarstellen müssen, was zu Rangkämpfen führt. Die Isolationshaltung ist sehr eintönig für das Kalb, es kann nicht herumtollen und seinen arteigenen Bedürfnissen nachgehen, bis auf den Sichtkontakt zu seinen Artgenossen hat es wenig bis gar keinen Kontakt zur Außenwelt, es ist kein Erkundungsverhalten möglich und ihm wird jegliche Art von Sozialkontakten verwehrt.

Die Einzelhaltung in Kälberiglus- oder Hütten ist ein hoch tierschutzrelevantes Problem, denn die Kälber vermissen ihre Mutter und ihnen wird keinerlei Ablenkung zum ohnehin schmerzhaften Alltag geboten.

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